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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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mit einem Grinsen. »Soll ich also jetzt über Sie loslegen?«
    »Was? Sie meinen, was mein Äußerliches über mich enthüllt?«
    »Die Vorstellung, daß ich hinsichtlich der Ausübung observierender Deduktion mein Ebenbild gefunden habe, kann meine konkurrierenden Neigungen natürlich nicht kalt lassen.«
    »Woher soll ich wissen, ob es sich um berechtigte Schlußfolgerung handelt, und nicht um Tatsachen, die Ihnen auf irgendeine Weise zugänglich gemacht worden sind?«
    »Sie werden es nie erfahren«, sagte Sparks und zeigte erneut sein aufblitzendes Lächeln. »Sie sind in Edinburgh geboren. Ihre Eltern waren Katholiken irischer Abstammung und lebten in bescheidenen Verhältnissen. Sie haben in Ihrer Jugend viel geangelt und gejagt. Sie wurden in kirchlichen Schulen erzogen, bei den Jesuiten. Die Passionen Ihres Lebens sind Literatur und Medizin. Sie haben die medizinische Fakultät der Universität von Edinburgh besucht, wo Sie bei einem intelligenten Professor studiert haben, der Sie angeregt hat, Ihre Deduktionsund Beobachtungsgabe weit über den Umfang diagnostischer Anwendung hinaus zu entwickeln. Trotz Ihrer medizinischen Ausbildung haben Sie sich Ihren Traum, eines Tages ausschließlich vom Schreiben zu leben, nie erfüllen können. Trotz Ihrer Indoktrinierung durch die katholische Kirche haben Sie den Glauben Ihrer Familie abgelegt, nachdem Sie an Seancen teilgenommen und Erfahrungen gemacht haben, die zu kompliziert sind, um an irgendwelchen religiösen Dogmen kleben zu bleiben. Sie halten sich für einen zwar bestätigten, aber freigeistigen Agnostiker. Sie können sehr gut mit dem Revolver umgehen ...«
    Und so verbrachten sie den Rest des Nachmittags in einer Begegnung des Geistes, was eine besondere Erfahrung für die beiden Männer darstellte, die so sehr an die einsame Ausübung ihrer brennendsten Fähigkeit gewöhnt waren. Obwohl in der Ferne Bauernhöfe und ein, zwei größere Ansiedlungen auftauchten, blieben sie auf dem urzeitlichen Pfad und stillten ihren Hunger und Durst, wenn er sich meldete, mit dem Proviant, den Larry ihnen gebracht hatte. Sie gingen über Wiesen und durchquerten Birkenwälder und vernichtetes, brachliegendes Flachland, bis der Sonnenuntergang sie am Ende des Weges wiederfand, an den Ufern des River Colne, einem breiten und trägen Wasserweg, der sich durch die Felder und abgelegenen Bauerndörfchen von Essex schlängelte. Nach einem stillen Abendessen unter einer sie beschützenden Eiche kam schließlich die Dunkelheit, und Larry tauchte wieder auf diesmal in einem Boot, das er in der Nähe ihres Lagers ans Ufer steuerte. Es war eine sieben Meter lange Schaluppe, seetüchtig und stark, und an ihrem Bug hing eine Laterne. Während Larry das Dollbord hielt, gingen sie an Bord. Mittschiffs boten ihnen ein verschlissener Leinwandaufbau und ein Deckenlager Obdach. Unter dem klaren Nachthimmel und im Licht des Dreiviertelmondes stießen sie sich vom Ufer ab und trieben lautlos mit der Strömung flußabwärts, wobei sie unbemerkt eine schläfrige Ortschaft passierten. Da Sparks darauf beharrte, begab sich Doyle als erster zur Ruhe, und noch bevor sie kaum eine Meile flußabwärts zurückgelegt hatten, trug das sanfte Rollen des Gewässers den erschöpften Arzt in die traumlosen Arme dankbaren Schlafes.
    Der Fluß trug sie ohne Zwischenfälle durch die Nacht vorbei an Halstead, Rose Green, Wakes Colne und Eight Ash. Im Morgengrauen passierten sie die weitverzweigten Ausläufer des uralten Colchester, dann ging es weiter an Wiven-hoe vorbei, wo der Fluß breiter wurde und sich darauf vorbereitete, ins Meer zu strömen. Obwohl sie im Laufe der Nacht an einer ganzen Reihe verankerter Frachtkähne und kleinerer Boote vorbeigekommen waren, begegneten sie hier zum ersten Mal größeren Schiffen, die unter Dampf standen. Larry zog das Hauptsegel auf, um ihr Vorwärtskommen gegen die Flut zu sichern, und der darauf folgende Südost blähte das Segel auf und trieb sie an dem hinderlichen Frachtverkehr vorbei, der den Kanal zu einem Wirrnis machte.
    Zwei kurze Nickerchen im Stehen waren alles, was Sparks sich während der Reise erlaubte, und mehr schien er auch nicht zu benötigen. Doyle schlief die ganze Nacht. Er erwachte erfrischt und nicht wenig erstaunt, als er sah, daß sie das Land hinter sich ließen und aufs offene Meer hinausfuhren. Mit dem Wind in ihrem Rücken kamen sie rasch voran und hielten nach Süden zu. Als sie in kräftigere Dünung kamen, übernahm Sparks das Ruder.

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