Sieben
Kleidern gefüllt, die für beide Rollen paßten.
»Warum sagen wir nicht einfach, ich sei Arzt?« fragte Doyle in der Hoffnung, seine bequeme Mittelklassenhaut nicht für eine Seitwärtsbewegung in die eine oder andere Richtung ablegen zu müssen.
»Wie
gerissen,
Doyle! Wir haben jeden Grund zu der Annahme, daß Ihre Feinde uns dort erwarten. Wenn wir schon einmal dort sind: Warum lassen Sie sich nicht gleich Karten drucken? Dann könnten Sie bei dieser Gelegenheit auch noch Patienten werben.«
»Ach so«, sagte Doyle. »Sie meinen, wir sollten inkognito auftreten.«
»Baron Everett Gascoyne-Pouge nebst Kammerdiener; um Antwort wird gebeten«, sagte Sparks und zückte eine Einladung zur Silvesterfeier, die auf einen Herrn dieses Namens ausgestellt war.
»Wo haben Sie die her?«
»Faksimiliert.«
»Aber was ist, wenn der echte Gascoyne-Pouge den Beschluß fassen sollte, zu kommen?«
»Es gibt keinen Menschen dieses Namens«, sagte Sparks, der seinen Unmut über Doyles schwächliche Fantasiesprünge kaum verhehlte.
»Ah! Selbst gedruckt! Jetzt verstehe ich!«
»Gut, ich habe mich schon gefragt, wann das sein würde.«
»Verzeihung«, sagte Doyle mit einem Gähnen, »aber wenn ich geschlafen habe, habe ich eine ziemlich lange Leitung. Da brauche ich immer einen Moment, bis die Zellen wieder arbeiten.«
»Schon in Ordnung«, sagte Sparks und reichte ihm die Kleidung der Arbeiterklasse. »Außerdem bin ich sicher, daß die Bedienstetenquartiere in Topping Ihnen äußerst gut gefallen werden.«
»Aber glauben Sie denn, Jack«, stotterte Doyle, als er auf die Amtstracht des Kammerdieners herunterschaute, »man wird diese Scharade nicht durchschauen? Natürlich kann ich mir vorstellen, daß ich die Rolle so gut spiele, daß ...«
»Kein Mensch beachtet Diener, Doyle. Sie werden sich dort so unauffällig bewegen können wie eine schwarze Katze in der Kohlengrube.«
»Nun, aber ... Was ist, wenn sie mich
doch
bemerken, Jack? Auch wenn man vielleicht nicht genau weiß, wie Sie aussehen ... Mein Äußeres kennen sie ganz bestimmt.«
Sparks musterte ihn eingehend. »Stimmt«, sagte er. Er kramte in dem Koffer herum und entnahm ihm ein Rasiermesser. »Wir lassen Barry anhalten, damit nicht die Gefahr besteht, daß Sie den Geruchssinn verlieren.«
Doyles Hände hoben sich beschützend zu seinem Schnauzbart. Im Morgengrauen des letzten Jahrestages durchfuhren sie einen Torbogen und näherten sich Topping Manor auf geradem Weg über eine schmale Allee stattlicher Eichen, deren kräftige Äste so weit hinausreichten, daß sie über ihnen einen knorrigen Baldachin bildeten. Doyle, mit den unvertrauten Kleidern seines neuen Berufsstandes angetan, war es gelungen, noch ein paar Minuten unruhigen Schlafes zu ergattern. Im Traum hatte er ein hoffnungslos inkompetentes Verhalten an den Tag gelegt: Unbekannte Gestalten hatten ihn verfolgt, gefangengenommen und demaskiert. Aus dem Traum war besonders Königin Victoria hervorgestochen. Er erinnerte sich daran, ihr Tee serviert und eine tote Maus im Kessel schwimmen gesehen zu haben. Dies hatte ihm viel mehr zu schaffen gemacht als die brutale Behandlung, die er unter den Händen seiner finsteren Häscher erlitt. Er wachte schlagartig auf und war in glänzend kaltem Schweiß gebadet.
Dann wurde ihm klar, daß seinem Erwachen das plötzliche Anhalten der Kutsche vorausgegangen war. Bevor seine Augen ihm sagten, daß Sparks die Kutsche verlassen hatte, hörte er, daß sich die Tür öffnete und schloß. Doyle tastete nach ihr und schleppte sich ins Freie.
Die Reihen der Eichen endeten abrupt an der Stelle, an der Barry angehalten hatte. Die Allee der majestätischen Bäume hatte sich dem Anschein nach hier früher einige hundert Meter weiter fortgesetzt. Nun hatte man nicht nur sie, sondern auch jeden anderen Baum gefällt, der hier gewachsen war: die Strünke gesprengt und verbrannt und den gesamten Boden abgeflämmt. Vor ihnen ragte aus dem versengten Flachland abrupt ein fester, zehn Meter hoher, nicht im Gleichgewicht befindlicher, aus den ungeschnittenen Leibern gefällter Bäume errichteter Behelfswall auf, der grob mit Felsen, Ziegeln, Stroh, totem Gras und Flechtwerk verputzt war. Das Licht des frühen Morgens spiegelte sich auf Glasscherben, die in die sich härtende Abdichtung des gesamten Walls eingesetzt waren. Die Barriere verlief über eine beträchtliche Strecke in beide Richtungen und machte dann einen Knick. Sie schien das hinter ihr liegende Landhaus und das
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