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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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gewesen, keines aus Leidenschaft. Er hatte seine Spuren fachmännisch verwischt.«
    »Hat er keine anderen Verbrechen begangen?« fragte Doyle.
    »Nicht in diesem Ort. Und nicht zur damaligen Zeit. Auf Alexanders Bitten hin, durch ein Arrangement seiner Lehrer, verbrachte er den folgenden Sommer in Salzburg, wo er an der Universität Chemie und Metallurgie studierte. Aus gutem Grund erlernte er an der berühmten Fechtakademie das Florett-und Degenfechten. Auch dies ein Talent, in dem er es bald zur Meisterschaft bringen sollte. Er war schließlich erst ein Junge von dreizehn Jahren. Seine Übungen folgten einem festen Plan: Tagsüber schärfte er seine wissenschaftlichen Fähigkeiten - ein Welpe unter Graubärten erschuf neue Verbindungen und Legierungen im Laboratorium, sein Wissen nahm enzyklopädische Formen an - und abends seine Tarnungs- und Schleichtechnik. Alexander trainierte sich darauf, mit wenig Schlaf auszukommen - höchstens ein, zwei Stunden, damit er die Zeit zwischen Mitternacht und Sonnenaufgang zum Umherstreifen nutzen konnte. Seine nächtlichen Eskapaden waren in jeder Hinsicht so geplant und zielgerichtet wie seine wissenschaftlichen Studien: Sie dienten dazu, seine Nerven zu testen und abzuhärten.«
    »In welcher Form genau?«
    »Er verschaffte sich Zugang zu fremden Häusern, nahm vier Stunden lang in fremden Schlafzimmern Platz, verschmolz sozusagen mit der Dunkelheit und den Ecken. Die Leute gingen ein paar Zentimeter vor ihm her, ohne daß sein Herz auch nur einen Schlag mehr machte. Er beobachtete sie im Schlaf und nahm auch bei diesen Gelegenheiten kleine Trophäen mit - niemals Gegenstände von großem Wert: Lappalien, wertlosen Tand, den niemand vermißte. Er erlangte die Fähigkeit, im Dunkeln fast ebensogut sehen zu können wie im Hellen. Die Dunkelheit wurde ihm zunehmend lieber als der Tag, den er nun fast nur noch drinnen verbrachte, in seine Studien versunken. Als Alexanders Sommer zu Ende war, war er imstande, sich wie ein lautloser, unsichtbarer Geist durch die Finsternis zu bewegen.
    In der Nacht vor der Rückkehr nach England gestattete er sich eine einzige Schwäche des knospenden Appetits, den er in all den langen Monaten in Schach gehalten hatte. Da gab es ein bestimmtes Mädchen, in dessen Zimmer er zu Anfang zufällig geraten war. Er stellte fest, daß der Anblick des in seinem Bett schlafenden Mädchens ihn so stark erregt hatte, daß er fortan unter dem Zwang stand, sie regelmäßig zu besuchen. Es war eine blonde, siebzehnjährige Schönheit, die einzige Tochter eines wohlhabenden Bürgers, die allerlei sinnliche Reize ausstrahlte, die ihm um so verlockender erschienen, da sie so unschuldig wirkten. Sein Interesse nahm die Form eines perversen Werbens an, indem er sie tagsüber verfolgte. Es erregte ihn, neben ihr in einem Laden zu stehen, auf der Straße an ihr vorbeizugehen und ihr ahnungsloses Lächeln zu erwidern, doch andererseits wagte er es nicht, sie anzusprechen. Ich glaube, daß er irgendwie in den Nischen seines Herzens das echte Rühren einer romantischen Liebe empfand. Er hat Gedichte für sie geschrieben. Einmal hat er eine rote Rose in einer Stielvase am Fenster für sie zurückgelassen. Mit jedem erfolgreichen Besuch wurde Alexander dreister; er deckte sie auf und streichelte ihr Haar. Wenn er seine Geliebte im Schlaf beobachtete, sah er in jeder ihrer unbewußten Gesten ein heimliches Sehnen. Er wollte sich ihr offenbaren, sie in die Arme nehmen und besitzen. Doch im kalten Tageslicht empfand er das Beben und die Schwächen, die aus den Erinnerungen an ihre Schönheit in ihm aufwallten, als unerträglich: Der Übermensch konnte und wollte die sich auftuende Verletzlichkeit der ungebärdigen Fantasien eines anderen Herzens nicht ausstehen.
    Und so schlich sich Alexander an seinem letzten Abend in Österreich zum letzten Mal in ihr Zimmer. Er tränkte ein Taschentuch mit Chloroform und legte es über den Mund seiner Geliebten. Er brachte sie, ohne daß man ihn entdeckte, aus dem Haus und in den umliegenden Wald, wo er über sie herfiel und seine Gelüste wie ein nächtlicher Dämon an ihr stillte. Als er gesättigt war, trug er sie noch tiefer in den Wald hinein, betäubte sie jedesmal, wenn sie wieder zu sich kam, mit der Droge, fesselte sie an Händen und Füßen und legte sie vorsichtig auf ein schattiges Plätzchen aus Pinienästen. Als die verschreckten Dorfbewohner sie am Ende des nächsten Tages fanden, war Alexander schon wieder mit dem Schiff

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