Sieben
getrennt gehalten, mir in all den Jahren nie von ihm erzählt. Doch nun, da man ihm und meiner Mutter das Leben genommen hatte, flehte er mich mit dem letzten Atemzug an, der Gesellschaft meines Bruders für immer zu entsagen. Mit Alexander habe von Anfang an irgend etwas nicht gestimmt. An ihm sei irgend etwas Unmenschliches, sein Geist so funkelnd und falsch wie ein schwarzer Diamant. Wider besseres Wissen jedoch sei in ihnen nie der Hoffnungsfunke erloschen, er könne sich geändert haben. Sie hätten dieser Hoffnung erlaubt, sich an den Lügen zu nähren, mit denen Alexander sie getäuscht hatte, und nun zum zweitenmal wofür mein Vater keinen anderen als sich selbst schuldig sprach den schrecklichen Preis dafür bezahlt, daß ihre Aufmerksamkeit erschlafft war. Damit endete der Brief meines Vaters.«
»Das kann doch nicht alles gewesen sein.«
Sparks warf Doyle einen Blick zu. »Der Priester wich mir aus. Er gab mir zu bedenken, mein Vater sei in einem schlimmen Schockzustand gewesen, als sie miteinander gesprochen hatten. Es könne sogar sein möge seine Seele in Frieden ruhen -, daß die Qualen seiner letzten Stunden ihn ziemlich verwirrt hatten. Deswegen sollte ich folglich nicht alles, was er ihm erzählt hatte, für das Evangelium halten. Ich sah ihm in die Augen. Ich kannte den Burschen, diesen Priester; ich hatte ihn gekannt, seit ich ein kleiner Junge gewesen war. Er war ein Freund unserer Familie, ein netter Mensch, und er meinte es gut mit uns. Er war schwach. Ich wußte, daß er mir etwas verheimlichte. Ich war in der geistlichen Lehre versiert genug, um ihm, ohne eine Miene zu verziehen, die Verdammung Judas' anzudrohen, sollte er mir etwas über das Geständnis meines Vaters vorlügen. Dies ließ ihn schnell klein beigeben. Er reichte mir die zweite Hälfte des Briefes meines Vaters. Ich las sie. Es wurde klar, daß das, von dem der Priester angenommen hatte, es sei das irre Gerede eines Sterbenden, dessen Geist vom Schmerz gepeinigt wurde, tatsächlich die entsetzliche Wahrheit war.«
Sparks hielt inne und sammelte sich, bevor er Doyle die wenigen letzten Schritte ins Zentrum seines Alptraums führte.
»Mein Vater gab mir zu verstehen, daß er und meine Mutter nie eine leichte Ehe geführt hätten. Sie hatten beide einen starken Willen und waren unabhängige Geister. Sie hatten große Gefühlsausbrüche erlebt und einander enormen Kummer bereitet. Während ihres Zusammenlebens hatte mein Vater andere Frauen geliebt. Er wollte sich nicht dafür entschuldigen. Er erwartete kein Mitgefühl oder Verständnis. Kurz vor Alexanders Geburt hatten ihre Schwierigkeiten ein solches Ausmaß angenommen, daß mein Vater seinen Posten in Kairo als versuchsweise Trennung akzeptierte. Über seinen Rückzug gekränkt, entwickelte meine Mutter eine unnatürliche Anhänglichkeit zu dem Kleinen und wollte, daß Alexander in ihrem Leben eine Rolle ausfüllte, für die er natürlich nicht geschaffen war. Die Auswirkungen waren ungesund.
Während einer kurzen, erfolglosen Versöhnung wurde meine Mutter mit meiner Schwester schwanger. Vater kehrte, ohne davon zu wissen, nach Ägypten zurück. Er erfuhr erst Wochen nach der Geburt von ihr. Als er sich freinehmen und nach England zurückkehren konnte, war die Katastrophe bereits eingetreten. Mutter ging es schlecht; sie sehnte sich verzweifelt nach der tröstlichen, angeborenen Liebe, die sie von Alexander abhängig gemacht hatte, aber sie war auch unfähig, das Grauen abzustreiten, dessen Zeugin sie mit eigenen Augen geworden war. Vater wollte den Jungen für immer fortschicken, ihn bestrafen, ihn zu einem Mündel des Staates machen. So gespalten meine Mutter auch war, sie drohte ihm an, sich das Leben zu nehmen, falls er in dieser Hinsicht Schritte unternahm. In dieser Pattsituation reiste Vater sofort wieder ab. Vier Jahre später, bei einem letzten Versuch, den dürftigen Vertrag zu retten, der noch zwischen ihnen existierte, kehrte er aus Übersee zurück und entlockte ihr den Kompromiß, der in Alexanders Verbannung, einer dritten Schwangerschaft und der Reorganisation ihrer Ehe mit einem zweiten Sohn bestand. Diesen Sohn wollten sie gemeinsam aufziehen. Es sollte ein Sohn sein, den beide Elternteile liebten. Ich glaube nicht, daß sie, insgesamt gesehen, während meiner frühen Kindheit unglücklich waren. Eher im Gegenteil. Sie ergaben sich dem Leben, das sie geschmiedet hatten, und schlossen Frieden mit ihm.«
Sparks schleuderte den Stummel seiner Zigarre in
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