Sieben in einem Auto
er seit seinem Erwachen schon alles erlebt hatte.
Frau Heger drückte ihn an sich und hörte dem Geplapper aufmerksam zu.
„Der Kleine ist unser Wecker“, erklärte Herr Heger seiner Tante. „Pünktlich um fünf Uhr jeden Morgen ist er frisch wie der Tau auf den Gräsern und nicht mehr im Bett zu halten.“
Christine und Sascha kamen die Treppe heruntergepoltert, sie hatten auch Hunger. Nur Conny fehlte noch.
„Habt ihr eure große Schwester nicht mitgebracht?“ fragte Tante Steffi.
„Nee, die schreibt noch irgendsoeinen Quatsch in ihr dickes schwarzes Buch.“
„So? Na, dann kann sie nachher mit Onkel Stefan zusammenessen. Langt zu! Ich wünsch euch einen guten Appetit!“
Liebe Geraldine!
Gestern abend war ich zu müde, außerdem war die Gelegenheit nicht günstig, darum mache ich mich erst heute morgen an die Niederschrift meiner Erlebnisse und Gedanken. Der erste Tag wäre also überstanden und der größte Teil der Strecke zurückgelegt. Es war, ehrlich gesagt, eine ziemliche Strapaze. Man sitzt eingekeilt zwischen seinen Geschwistern und muß sich stundenlang ihr Geschwätz anhören, genauso wie ich es vorausgesehen habe. Was einen selbst im Innersten bewegt, kann man den Kleinen nicht anvertrauen, dazu fehlt ihnen noch die Reife. Natürlich, das muß ich einräumen, erlebt man auch manch Erheiterndes, wenn zum Beispiel der vierjährige Jan nach allem möglichen fragt und dabei erstaunliche Zusammenhänge herstellt. Was uns längst vertraut ist, das bedeutet für ihn ja unentdecktes Land. Darum reizt uns vieles zum Lachen, was er ganz ernst meint. Unfreiwillige Komik nennt man das ja wohl. Also, wirklich, da wird einem das Selbstverständlichste oft zur Frage, und man weiß nicht, ob man nicht bisher was Falsches geglaubt hat. Sascha und Christine merken das natürlich nicht, die sind ja noch nicht so weit in ihrer Entwicklung. Die machen dumme Bemerkungen und erkennen den tiefen Sinn, der in Jans kindischem Unsinn steckt, nicht. Aber kann man es ihnen übelnehmen? Nein! Sie brauchen noch eine Weile, um den Durchblick zu bekommen. Gut Ding will Weile haben, heißt es ja mit Recht.
Hier im Hause gefällt es mir recht gut. Zwei Tage kann ich es aushalten. Aber dann schreit mein der Freiheit verschworenes Herz nach Veränderung, will die Fesseln abstreifen und zu neuen Gestaden aufbrechen. Ich weiß, daß das nicht leicht ist, weil man dauernd Rücksicht nehmen muß auf die Kleinen und — das sei an dieser Stelle ausgesprochen — auch auf die Großen. Dennoch werde ich immer wieder versuchen, für ein oder zwei Stunden dem Familienkäfig zu entkommen.
Du verstehst mich, Geraldine, du kennst mein Inneres und schaust tief in mein Herz, mit dir kann ich offen reden. Meine Träume sind auch deine Träume, meine Sehnsüchte auch die deinen. Arm in Arm mit dir besteige ich das Wolkenschiff meines Begehrens und segle davon in lockende Fernen. Welchem Ziele zu? Ich weiß es nicht. Nenne es Glück, Lust, Verzückung, bemühe deine Phantasie um einen passenden Namen, aber sei mein Begleiter, mein Weggenosse, mein Seelenfreund! Laß die Erde hinter dir und mit ihr das Kleine, Alltägliche, den Krimskrams des Gewöhnlichen! Nur so erlangst du die Freiheit, die du verdienst.
Lebe wohl für jetzt, meine geliebte Geraldine! Der Ruf der Familie dringt an mein Ohr. Das Frühstück ist serviert. Ich muß mich den andern beigesellen und wieder die verständige große Tochter hervorkehren.
Deine Conny
Am Nachmittag stand ein Besuch der Festwiese auf dem Programm. Als Stefan ausgeschlafen hatte, machte sich die ganze Familie auf den Weg.
„Ich möchte Karussell fahren, mit dem Riesenrad rumsausen und auf den Ponys reiten!“ rief Jan. „Und dann möchte ich Zuckerwatte haben, türkischen Honig, eine Bratwurst und gebrannte Mandeln.“
„Und einen verdorbenen Magen“, sagte Frau Heger.
„Im Riesenrad kriegst du Angst“, warnte Christine, „weil das nämlich sehr hoch ist. Wer da oben runterfällt, ist sofort tot.“
„Ich fall doch nicht runter!“ rief Jan. „Ich halt mich doch fest!“
„Deine Hände sind zum Festhalten viel zu klein“, sagte Sascha. „Wenn die Gondeln hin und her schaukeln, rutschen sie sofort ab.“
„Mach Jan keine Angst“, sagte Frau Heger. „Er kann sich ebensogut festhalten wie du.“
Der Tag war lauter Lachen. Die Sonne schaute gutgelaunt auf die fröhlichen Menschen hinunter und freute sich mit, wenn die Kleinen ihren Karussellpferdchen die Sporen gaben und
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