Sieben Jahre später
doch Wahnsinn …
Entsetzt leerte er die beiden Keramikröhren aus und verteilte ein Dutzend kleiner, durchsichtiger Päckchen auf dem Bett.
Kokain!
Er konnte es nicht fassen.
»Scheiße!«, entfuhr es Nikki, die zu ihm getreten war.
Sie sahen sich verblüfft an.
»Das haben die Einbrecher also gesucht. Es ist mindestens ein Kilo.«
Sebastian wollte es immer noch nicht glauben. »Das ist eine zu große Nummer, um wahr zu sein. Vielleicht ist es … ein Rollenspiel oder ein Scherz.«
Nikki schüttelte zweifelnd den Kopf. Sie riss eines der Päckchen auf und kostete das Pulver. Der bittere, stechende Geschmack hinterließ ein betäubendes Gefühl auf ihrer Zunge.
»Das ist Koks, Sebastian, ganz sicher.«
»Aber wie …«
Sein Satz wurde vom Läuten der Türglocke unterbrochen.
»Santos!«, rief Nikki.
Verblüffung und Fassungslosigkeit waren auf ihren Gesichtern zu lesen. Zum ersten Mal seit Jahren fühlten sie sich durch ein starkes Band vereint: den Wunsch, ihren Sohn zu schützen. Ihre Herzen schlugen im Einklang. Sie empfanden dieselbe Erregung, dieselbe Beklemmung, denselben Taumel.
Die Glocke ertönte zum zweiten Mal. Der Polizist unten wurde ungeduldig.
Jetzt war keine Zeit mehr. Sie mussten eine Entscheidung treffen, und zwar schnell. Jeremy war zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Wenn es auch selbstmörderisch schien, ihre Entdeckung vor der Polizei geheim halten zu wollen, so bedeutete das Eingeständnis, dass ihr Sohn ein Kilo Kokain in seinem Zimmer versteckt hatte, eine lange Haftstrafe für ihn. Eine Gefährdung seiner Zukunft, seines Studiums und seines Eintritts ins Leben. Die Hölle einer Jugendhaftanstalt.
»Wir müssen …«, begann Sebastian.
»… den Stoff verschwinden lassen«, ergänzte Nikki.
Einigkeit als letztes Bollwerk gegen die Gefahr.
Sebastian, der froh darüber war, nahm einige der Tütchen und warf sie in die Toilette des angrenzenden Badezimmers. Nikki half ihm und holte die anderen.
Ein drittes Klingeln.
»Mach ihm auf, ich komme nach!«
Sie nickte, und während sie die Treppe hinunterlief, betätigte er zum ersten Mal die Wasserspülung. Doch das Kokain löste sich nur mühsam auf. Statt in den Tiefen des Abflussrohrs zu verschwinden, verstopften die Beutel es nur. Der zweite Versuch blieb ebenso erfolglos. Panisch beobachtete er, wie die weiße Flüssigkeit bis zur Toilettenbrille anstieg und überzulaufen drohte.
Kapitel 12
»Du hast ja vielleicht lange gebraucht!«, sagte Santos vorwurfsvoll. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
»Ich habe das Klingeln nicht gehört«, log Nikki.
Sie trat zur Seite, um ihn hereinzulassen, doch Santos blieb beim Anblick der verwüsteten Wohnung wie angewurzelt stehen.
»Was ist denn hier los? Ist ein Wirbelsturm durch dein Wohnzimmer gefegt?«
Überrumpelt, wie sie war, wusste Nikki nicht, was sie antworten sollte. Sie spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte und sich feine Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten.
»Ich … ich habe nur gerade geputzt, das ist alles.«
»Willst du mich für blöd verkaufen? Mal ernsthaft, Nikki?«
Sie war verunsichert. So, wie es hier aussah, würde sie ihn nicht überzeugen können.
»Also, erklärst du es mir nun?«, drängte er.
Von der Treppe ertönte Sebastians feste Stimme wie eine Erlösung: »Wir haben uns gestritten, so was kommt doch vor, oder?«
Verblüfft wandte sich Santos zu dem Neuankömmling um. Sebastian, der seine Rolle als eifersüchtiger Exmann mit Nachdruck spielte, hatte seine aggressive Miene aufgesetzt.
»Das nennen Sie einen Streit?«, fragte Santos und deutete auf das demolierte Wohnzimmer.
Verlegen machte Nikki die beiden miteinander bekannt.
Die Männer grüßten sich mit einem kurzen Kopfnicken. Sebastian versuchte, seine Verwunderung zu verbergen, aber im Grunde war er doch etwas erstaunt von Santos’ Erscheinung. Der gut gebaute Mischling mit den feinen Gesichtszügen war einen Kopf größer als er selbst und hatte nichts von einem rauen, brutalen Bullen. Mit seinem eleganten Anzug, der vermutlich die Hälfte seines Monatsgehalts gekostet hatte, seinem korrekten Haarschnitt und den frisch rasierten Wangen wirkte er gepflegt und vertrauenerweckend.
»Wir dürfen keine Zeit verlieren«, erklärte er und sah die Eltern an. »Ich will euch ja nicht beunruhigen, aber ein Junge, der seit drei Tagen verschwunden ist, ohne ein Lebenszeichen zu geben, das ist nicht ohne.«
Er knöpfte seine Jacke auf und fuhr in belehrendem Tonfall
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