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Sieben Jahre später

Sieben Jahre später

Titel: Sieben Jahre später Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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Verkehr der Fashion Avenue ein. Die Bilder flogen an ihren Augen vorbei: dicht gedrängte Menge, rissiger Asphalt, verbeulte Wagen von Hotdog-verkäufern, metallischer Widerschein der Gebäude, wohlgeformte, schlanke Beine in Großaufnahme auf einem Plakat.
    Beim Einbiegen auf die Pennsylvania Plaza gelang es ihr, sich zwischen zwei Autos zu drängen.
    New York war die Hölle für Zweiradfahrzeuge: die Straßen waren beschädigt, und man durfte nirgendwo parken.
    »Endstation, alle aussteigen!«
    Camille sprang auf den Bürgersteig und half, die BMW-Maschine abzuschließen.
    Vierzehn Uhr vierundzwanzig. Der Zug fuhr in zehn Minuten ab.
    »Beeil dich, Liebling.«
    Sie überquerten durch den dichten Verkehr hindurch die Straße und drängten sich in das reizlose Gebäude der Penn Station. Glaubte man den alten Fotografien, die in der großen Halle hingen, so war der meistfrequentierte Bahnhof der Vereinigten Staaten früher ein grandioses Gebäude gewesen, das von rosa Granitsäulen geziert wurde. Die von einem Glasdach gekrönte Vorhalle hatte die Größe einer Kathedrale gehabt mit Wasserspeiern, Buntglasfenstern und Marmorstatuen. Dieses Goldene Zeitalter war jedoch längst Vergangenheit. Unter dem Druck der Baulöwen und der Unterhaltungsindustrie war das Gebäude Anfang der 1960er- Jahre abgerissen worden, um einem seelenlosen Komplex mit Büros, Hotels und Veranstaltungssälen Platz zu machen.
    Nikki und Camille bahnten sich mit den Ellbogen einen Weg zum Schalter.
    »Einmal einfach nach East Hampton, bitte.«
    Die Angestellte, eine Frau mit dem Gehabe eines Buddhas, ließ sich unendlich viel Zeit, um das Ticket auszustellen. Der Geräuschpegel in der Bahnhofshalle war ohrenbetäubend. Penn Station, ein Schaltzentrum der Verbindung zwischen Washington und Boston, bediente auch zahlreiche Bahnhöfe in New Jersey und Long Island.
    »Vierundzwanzig Dollar. Der Zug fährt in sechs Minuten ab.«
    Nikki sammelte ihr Wechselgeld ein, nahm Camille an der Hand und zog sie ins Untergeschoss, wo sich die Bahnsteige befanden.
    Auf den Treppen drängten sich die Menschen. Es herrschte eine erdrückende Enge … Kindergeschrei, kollidierende Schultern, Stöße von Koffern in die Kniekehlen. Schweißgeruch.
    »Gleis zwölf, das ist da drüben!«
    Nikki zog ihre Tochter mit sich. Sie rannten zum richtigen Zugteil.
    »Abfahrt in drei Minuten«, verkündete der Schaffner.
    »Du rufst uns an, sobald du angekommen bist, ja?«
    Camille nickte.
    Als Nikki sich vorbeugte, um ihre Tochter zu umarmen, bemerkte sie deren Verunsicherung.
    »Du verbirgst etwas vor mir, stimmt’s?«
    Zugleich verärgert, ertappt worden zu sein, und erleichtert, eine Last loszuwerden, gestand Camille schließlich: »Es ist wegen Jeremy. Ich musste ihm versprechen, dir nichts davon zu sagen, aber …«
    »Du hast ihn gesehen?«, rief Nikki.
    »Ja. Er hat mich Samstag vom Tennisunterricht abgeholt.«
    Samstag, das war vor drei Tagen …
    »Er schien sehr beunruhigt«, fuhr Camille fort. »Und auch sehr in Eile. Er hatte Ärger, das war offensichtlich.«
    »Hat er dir erklärt, worum es ging?«
    »Er hat nur gesagt, dass er Geld braucht.«
    »Hast du es ihm gegeben?«
    »Da ich nur wenig bei mir hatte, hat er mich nach Hause begleitet.«
    »Dein Vater war nicht da?«
    »Nein, er war mit Natalia im Restaurant zum Mittagessen.«
    Die Türen des Zuges würden sich gleich schließen. Die letzten Reisenden kamen angerannt, um in die Wagen zu steigen.
    Von ihrer Mutter gedrängt, fuhr Camille fort: »Ich habe Jeremy die zweihundert Dollar gegeben, die ich in meinem Zimmer hatte, aber da ihm das nicht genug war, wollte er Papas Safe öffnen.«
    »Kennst du den Code?«
    »Das ist ja einfach: unser Geburtsdatum!«
    Ein akustisches Signal kündete die unmittelbar bevorstehende Abfahrt an.
    »Es waren fünftausend Dollar in bar drin«, sagte Camille und sprang in den Zug. »Jeremy hat mir versprochen, es zurückzugeben, bevor Papa etwas merkt.«
    Nikki, die auf dem Bahnsteig zurückblieb, war so bleich geworden, dass ihre Tochter beunruhigt fragte: »Glaubst du, ihm ist etwas passiert, Mama?«
    Bei dieser Frage schlossen sich die Türen.

Kapitel 14
    Der Himmel hatte sich bewölkt. Urplötzlich.
    Innerhalb weniger Minuten hatte er eine bleigraue Farbe angenommen, und schwarze Wolken türmten sich am Horizont auf.
    Auf dem Brooklyn-Queens Expressway fuhren die Autos Stoßstange an Stoßstange. Auf dem Weg zu der von Santos angegebenen Adresse zog Sebastian im Geist eine

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