Sieben Jahre später
besaßen.
»Da ist ein Logo zu sehen! Unten am Wagen.«
Mittels Trackpad markierte sie den Bereich und korrigierte anschließend die Schärfe. Das Emblem war zwar noch unscharf, man erkannte jedoch deutlich ein stilisiertes Gesicht, das nach oben schaute.
»Sagt dir das etwas?«, fragte er.
Sie schüttelte verneinend den Kopf, besann sich dann jedoch. »Also zumindest glaube ich nicht …«
Sie ließ das Video weiterlaufen. Die Türen öffneten sich vor einem Jugendlichen, der mit einem Teddyblouson aus Wolle und Leder bekleidet war.
Nikki hielt den Film erneut an, um das Bild zu vergrößern. Der junge Mann hielt den Kopf gesenkt, das Gesicht wurde durch eine Baseballkappe der Mets verborgen.
»Man kann nicht einmal sicher sein, dass es wirklich Jeremy ist«, stellte Sebastian fest.
Sie widersprach: »Da bin ich mir vollkommen sicher. Es ist seine Haltung, seine Kappe, es sind seine Klamotten.«
Zweifelnd beugte sich Sebastian zu dem Monitor vor. Der Teenager trug Röhrenjeans, T-Shirt und Converse-Boots. Wie alle Teenager dieser Welt …
»Glaube meinem mütterlichen Instinkt«, bekräftigte Nikki.
Als Beweis für ihre Behauptung schnitt Nikki das Bild so aus, dass in der Mitte das T-Shirt des Jungen genauer zu sehen war. Sie isolierte weiter die wesentlichen Details. Immer deutlicher war auf der schwarzen Baumwolle in roten Buchstaben zu lesen: THE SHOOTERS.
»Jeremys Lieblingsrockband!«, rief Sebastian.
Sie nickte stumm und ließ den Film wieder anlaufen.
Verwirrt sprang Jeremy aus dem Wagen und lief durch die Menge, um seinen Verfolgern zu entkommen. Schließlich tauchten die beiden Männer im Blickfeld der Kamera auf. Sie waren sicher aus einem benachbarten Wagen gestiegen, man sah sie jedoch nur von hinten.
Die Augen starr auf den Monitor gerichtet, sahen sie sich die Sequenz mehrmals an, wegen der vielen Menschen und der Entfernung blieb das Bild jedoch unscharf.
Dann folgte die schlimmste Szene, in deren Verlauf ihr Sohn am Ende des Bahnsteigs, kurz bevor er die Treppe erreichte, gewaltsam zu Boden gedrückt wurde. Die letzten fünf Sekunden waren am bedeutsamsten: Nachdem sie Jeremy überwältigt hatten, drehte sich der eine Angreifer um, suchte die Kamera, um dann spöttisch zu grinsen.
»Dieser Schweinehund weiß, dass er gefilmt wird!«, rief Sebastian. »Er verhöhnt uns!«
Nikki zoomte auf das Gesicht und versuchte alle möglichen Manipulationen, um es schärfer zu bekommen: hämisches Grinsen, buschiger Bart, langes fettiges Haar, rauchfarbene Brille und eine bis zu den Ohren herabgezogene Skimütze. Nachdem sie die bestmögliche Einstellung gefunden hatte, druckte sie das Bild hochauflösend auf Fotopapier aus.
Während sie warteten, fragte Sebastian: »Warum schicken sie uns das? Es gibt keine Anweisungen, keine Lösegeldforderung. Das ist doch unlogisch.«
»Vielleicht kommt das noch.«
Er nahm das Porträt aus dem Drucker und betrachtete prüfend dieses Gesicht auf der Suche nach einem Detail, das ihn auf die Spur der Identität des Angreifers bringen könnte. Der Mann schien geschminkt zu sein. Kannte er ihn? Wahrscheinlich nicht, doch mit Gewissheit ließ es sich nicht sagen, so unscharf war das Bild, so verformt das Gesicht, das mit Brille, Mütze und einem vermutlich falschen Bart maskiert war.
Nikki ließ den Film erneut anlaufen.
»Konzentrieren wir uns auf den Hintergrund. Wir müssen unbedingt herausfinden, wo das ist.«
Sebastian versuchte, die Gesichter und Bewegungen außer Acht zu lassen und sich ganz auf den Bahnhof zu konzentrieren. Es war eine unterirdische Haltestelle mit zwei Gleisen, an den Wänden kleine weiße Keramikkacheln und Werbeplakate.
»Kannst du diese Werbung heranzoomen?«
Es handelte sich um ein rotes Plakat, auf dem das Musical My Fair Lady angekündigt wurde. Nikki konnte entziffern: »Châtelet. Théâtre musical de Paris.«
Sebastian fehlten die Worte.
Paris …
»Wozu sollte Jeremy nach Frankreich geflogen sein? Das ist völlig absurd.«
Und doch …
Ihm fiel ein, wo er das Symbol des nach oben gewandten Gesichts bereits gesehen hatte: bei seiner einzigen Reise nach Paris vor siebzehn Jahren. Er öffnete ein neues Fenster, rief den Internet Explorer auf, tippte »Metro Paris« bei Google ein und befand sich mit zwei Klicks auf der Internetseite der RATP.
»Das Logo auf den Waggons ist das der Pariser Verkehrsbetriebe.«
»Ich werde die Haltestelle herausfinden«, versicherte Nikki, während sie auf dem Monitor auf ein blaues
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