Sieben Jahre später
wurde gewalttätig. Schließlich griff einer von beiden nach seinem Funkgerät und forderte Verstärkung an.
»In zwei Minuten wimmelt es hier von Polizisten«, sagte Sebastian beunruhigt. »Wir müssen verschwinden.«
»Nicht, bevor wir das Schloss gefunden haben!«
»Du bist wirklich ein Sturkopf! Wenn wir im Knast sitzen, kommen wir gar nicht mehr weiter!«
»Warte, ich habe eine Idee! Such nur die Schlösser heraus, die etwas persönlicher gestaltet sind – entweder bemalt, mit Schleife versehen oder sich irgendwie unterscheiden.«
»Warum?«
»Ich bin überzeugt, dass man uns einen Hinweis hinterlassen hat.«
Sie machten sich erneut ans Werk. Einige der Schlösser waren in den Farben einer Fußballmannschaft angemalt – » Viva Barcelona! Viva Messi! « –, andere bekannten sich zu einer politischen Richtung – » Yes we can « – oder einer sexuellen Vorliebe : die bunte Fahne von » Gay friendly «.
»Sieh dir das an!«
Am Ende der Brücke hing auf halber Höhe ein besonders großes Vorhängeschloss mit zwei Aufklebern: der eine zeigte eine Geige, der andere das bekannte Logo I♥NY, das auf so vielen T-Shirts zu sehen war.
Das war eindeutig.
Nikki drehte den Schlüssel im Schloss um, und es öffnete sich.
Sie wollte es sich im Licht der Straßenlaterne genauer ansehen, doch schon bevölkerten Polizisten die Brücke.
Sebastian zog sie am Arm. »Wir müssen schnell von hier verschwinden!«
Kapitel 38
Die faszinierende Welt der Maoritätowierungen
In seinem kleinen Büro legte Lorenzo Santos das Buch beiseite, in das er sich einen guten Teil des Nachmittags vertieft hatte.
Er hatte viele interessante Dinge erfahren, aber nichts, was seine Ermittlungen weiterbrachte.
Frustriert rieb er sich die Augen und trat auf den Flur, um sich ein Mineralwasser aus dem Getränkeautomaten zu holen.
OUT OF ORDER
Auch das noch!
Wütend versetzte er dem Automaten einen Fausthieb.
Gibt es in diesem verdammten Land noch irgendwas, das funktioniert?
Er trat auf den Hinterhof hinaus, um ein paar Bälle in den Basketballkorb zu werfen – das beruhigte ihn normalerweise. Es wurde allmählich dunkel in Brooklyn. Durch den Gitterzaun betrachtete er die untergehende Sonne am geröteten Himmel. Er griff nach einem Ball und versuchte seinen ersten Korb. Der Ball traf den Metallring, schien einen Moment zu zögern und fiel dann auf der falschen Seite herunter.
Wirklich nicht mein Glückstag …
Seine Ermittlungen kamen nicht voran. Auch die Hinweise der Kriminaltechniker hatten ihn nicht weitergebracht. Dabei hatte er am späten Vormittag den detaillierten Bericht eines Experten zur Auswertung der Blutspritzer erhalten. Der Mann hatte den Verbrechensschauplatz sehr detailliert interpretiert und den Tathergang genau rekonstruiert. Zunächst war Drake Decker von dem »Maori«, dessen Fingerabdrücke man an dem Kampfmesser gefunden hatte, aufgeschlitzt worden. Der »Maori« war dann später seinerseits ermordet worden – von Sebastian Larabee mit der Glasscherbe. Nikkis Fingerabdrücke wiederum waren an verschiedenen Gegenständen festgestellt worden, vor allem an dem Billardstock, mit dem man dem »Maori« das Auge ausgestochen hatte.
Doch all das sagte weder etwas über die Motive der Täter noch über die Identität des dritten Mannes aus. Der tätowierte »Maori« war in keiner Datenbank der Polizei registriert. Die Zeit drängte, und Santos war immer mehr davon überzeugt, dass es sich nicht um einen Polynesier handelte. Er hatte die Unterstützung von Keren White, der Anthropologin des NYPD, die im Dritten Revier arbeitete, angefordert, doch sie hatte ihn noch nicht zurückgerufen. Da er sich viel von der Identifizierung der Tätowierung erhoffte, hatte er versucht, selbst weiterzukommen – ohne Erfolg.
Jetzt landete Santos einen Korbwurf nach dem anderen, fand langsam sein Selbstvertrauen wieder und baute seinen Stress ab.
Mehrmals in seiner Laufbahn hatte er beim Joggen oder Basketballspielen die richtige Intuition gehabt. Durch die körperliche Anstrengung erschienen ihm gewisse Details in einem neuen Licht, scheinbar zusammenhanglose Fakten fügten sich zu einer logischen Abfolge. Warum sollte das diesmal nicht auch funktionieren?
Der Cop versuchte also, die Ereignisse aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.
Und wenn nun der Schlüssel des Geheimnisses nicht in der Identität des »Maori«, sondern in der Person von Drake Decker läge?
Was wusste er wirklich über den Besitzer des Boomerang ?
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