Sieben Jahre später
Drake war ein kleiner Ganove, dessen Familie seit mindestens zwei Generationen im kriminellen Milieu verankert war: Sein Vater Cyrius saß eine lebenslängliche Haftstrafe auf Rikers Island ab, während sein kleiner Bruder Memphis seit fünf Jahren auf der Flucht war, um einer Inhaftierung wegen Drogenhandels zu entgehen. Auch Decker hatte mit Drogen zu tun, und seine Kneipe war eine mehr oder minder illegale Spielhölle, doch die örtlichen Polizisten hatten stets ein Auge zugedrückt, weil Decker ihnen nebenbei als Spitzel diente.
Aber welchen Zusammenhang gab es zwischen dieser Sache und den Larabees?
Vielleicht Jeremy …
Santos kannte Nikkis Sohn. Der Junge mochte ihn nicht, eine Antipathie, die auf Gegenseitigkeit beruhte.
Er warf einen letzten Korb und kehrte dann in sein Büro zurück, entschlossen, die Fakten abzugleichen. Er gab beide Namen in seinen Computer ein und startete die Suche. Nach kurzer Zeit erhielt er ein Ergebnis.
Es gab tatsächlich eine Überschneidung!
Vor einem Monat war Drake auf die Wache gebracht worden, weil einer seiner Gäste Anzeige wegen Körperverletzung und Bedrohung mit der Waffe erstattet hatte. Man hatte ihn schnell und ohne weitere Auflagen wieder freigelassen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich auch Jeremy auf dem Revier befunden, weil er in einem Einkaufszentrum ein Videospiel geklaut hatte.
Aus der Lektüre der beiden Polizeiberichte ergab sich, dass Drake und der Junge eine Viertelstunde dieselbe Zelle geteilt hatten.
Sind sie sich dort zum ersten Mal begegnet ?
Plötzlich war Santos der Überzeugung, dass jene Viertelstunde die Lösung des Rätsels barg. An diesem Abend war irgendetwas zwischen Jeremy und Decker vorgefallen. Ein Gespräch? Ein Deal? Eine Auseinandersetzung?
Auf alle Fälle etwas, was wichtig genug war, um die Ereignisse auszulösen, die drei Wochen später zu einem Blutbad und zwei Leichen geführt hatten.
Kapitel 39
»Ich kann nicht mehr. Mein Fuß tut zu weh!«, klagte Nikki und setzte sich auf den Bürgersteig der Rue Mornay.
Sebastian kniete sich neben sie.
»Ich glaube, es ist eine Prellung«, erklärte sie und massierte ihren Knöchel.
Er sah sich das Gelenk an. Es war geschwollen, und ein leichter Bluterguss begann sich abzuzeichnen. Der Schmerz war in den letzten zwei Stunden noch erträglich gewesen, jetzt aber wurde er so heftig, dass Nikki kaum noch laufen konnte.
»Halte durch, wir haben es fast geschafft. Wir müssen einen Unterschlupf für die Nacht finden.«
»Und weißt du auch, wo?«
Verärgert fragte er, ob sie eine Idee habe.
»Nein«, gab sie zu.
»Dann vertrau mir.«
Er gab ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen, und bot ihr seinen Arm an. Hinkend erreichten sie den Boulevard Bourdon.
»Sind wir noch immer am Seineufer?«, fragte sie verwundert.
»So ungefähr«, erwiderte er.
Sie überquerten die Straße und standen an einer weißen Kaimauer. Nikki beugte sich vor. Eine lange Promenade führte am Wasser entlang.
»Wo genau sind wir?«
»Am Jachthafen Arsenal. Der liegt zwischen dem Canal Saint-Martin und der Seine.«
»Und du zauberst diesen Ort so einfach aus dem Hut?«
»Ich habe auf dem Flug im Bordmagazin einen Artikel gelesen. Den Namen habe ich mir gemerkt, weil auch Camilles englische Lieblingsfußballmannschaft so heißt.«
»Hast du ein Boot, das hier vor Anker liegt?«, fragte sie spöttisch.
»Nein, aber wir können eines finden … vorausgesetzt, du kannst trotz deiner Schmerzen über den Zaun klettern.«
Sie sah ihn an und konnte sich trotz der ernsten Lage ein Lächeln nicht verkneifen. Wenn sie beide in dieser Verfassung waren, fühlte sie sich unbesiegbar.
Der Zaun war etwa einen Meter fünfzig hoch, und ein großes Schild erinnerte daran, dass der Zutritt zum Hafen zwischen dreiundzwanzig und sechs Uhr verboten war und ein Wächter mit Hund regelmäßig seine Runde machte.
»Was glaubst du, was das für ein Hund ist? Vielleicht ein Pudel?«, fragte sie belustigt, während sie sich an dem Gittertor hochzog.
Sie überwand das Hindernis ohne Probleme, und er folgte ihr auf den Kai. Es war erstaunlich ruhig an diesem Ort, an dem rund hundert Schiffe verschiedenster Größe – vom luxuriösen Hausboot bis zum renovierungsbedürftigen Kahn – lagen. Der Hafen erinnerte Nikki an die Kanäle von Amsterdam, die sie während ihrer Zeit als Model kennengelernt hatte.
Sie liefen über den Kai und begutachteten aufmerksam die Schiffe.
»Darf ich dich daran erinnern, dass wir nicht hier sind, um eines
Weitere Kostenlose Bücher