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Sieben Jahre

Sieben Jahre

Titel: Sieben Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stamm
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Leuten zu reden, und war befangen. Trotzdem schien er sich verpflichtet zu fühlen, auch etwas zu sagen. Er hatte nichts vorbereitet und kam vom Hundertsten ins Tausendste. Als ich die selbstzufriedenen, mitleidigen Blicke von Sonjas Familie sah, hasste ich sie für einen Moment. Dann fand mein Vater endlich ein Ende, und es gab einen warmen Applaus. Sonja umarmte ihn, und ihre Mutter ging sichtlich gerührt zu ihm und stieß mit ihm an. Ich trank zu viel an dem Abend, und als Sonja und ich uns endlich verabschieden konnten und in unser Hotelzimmer gingen, in die Hochzeitssuite, waren wir beide so müde, dass wir gleich ins Bett fielen. Trotzdem konnte ich lange nicht einschlafen. Von draußen hörte ich die Stimmen und das Gelächter der Gesellschaft, die noch weiter feierte, und wurde wehmütig. Ich lag in diesem grotesken Himmelbett mit Baldachin und herzförmigen Kissen und hatte keinen anderen Wunsch, als draußen zu sein bei meinen Freunden.
    Ein paar größere Wellen schwappten ans Ufer, dann war der See wieder ruhig. Es war eine seltsame Vorstellung, dass Jakob Sonja nur wenige Wochen vor unserer Hochzeit eine Liebeserklärung gemacht hatte. Ich hatte in jenem Frühling oft mit ihr telefoniert, um die Feier zu besprechen und die Hochzeitsreise, aber sie hatte Jakobs Besuch nie erwähnt. Ich fragte mich, was sie ihm gegenüber empfand. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie sie über ihn geschimpft hatte nach Rüdigers Silvesterparty. Das war die Nacht gewesen, in der ich ihr den Heiratsantrag gemacht hatte. Jakob hatte Pech gehabt, er war zu spät gekommen. Dabei liebte er sie vermutlich mehr, als ich es je vermocht hatte. Vielleicht hatte sie sich deshalb für mich entschieden.

Au ch die Rückfahrt von Marseille schafften wir an einem Tag. Nördlich der Alpen war das Wetter wechselhaft. Der Himmel war bewölkt, und es regnete immer wieder.
    Sonja setzte mich beim Olympiadorf ab. Sie stieg mit mir aus, aber als ich sie küssen wollte, schien es ihr peinlich zu sein. Wollen wir noch was trinken?, fragte ich. Sie sagte, sie sei zu erschöpft, sie fahre gleich nach Hause. Wann sehen wir uns? Ich weiß nicht, sagte Sonja, ich habe viel zu tun in nächster Zeit. Schließlich verabredeten wir uns für den Samstag.
    Sonja hatte mich bei der U-Bahn-Haltestelle zurückgelassen. Ich holte mir am Imbissstand eine Tasse Kaffee. Es hatte zu regnen aufgehört. Der Lärm des Feierabendverkehrs auf den nassen Fahrbahnen umschloss mich wie ein unsichtbarer Raum. Ich spazierte zu den Tennisplätzen, wo es ruhiger war. Nach der langen Fahrt wollte ich draußen sein, aber ich war müde, und alle Sitzbänke waren nass vom Regen. Der Kaffee war kalt geworden, ich warf den noch halb vollen Becher in einen Mülleimer. Ich war froh, endlich allein zu sein. In der Erinnerung schienen mir die vergangenen Tagen wirklicher, als während ich sie erlebt hatte. Es war, als begreife ich erst jetzt, dass Sonja und ich ein Paar waren. Ich hätte gerne mit jemandem darüber gesprochen, um mich selbst zu versichern, aber ich wusste nicht mit wem. Schließlich ging ich in den Bungalow und rief meine Eltern an. Ich erzählte meiner Mutter von der Reise, aber nicht von Sonja. Sie schien nur halb zuzuhören, im Hintergrund lief der Fernseher.
    Als ich Sonja zwei Tage später anrief, um Uhrzeit und Ort zu besprechen, sagte sie, sie habe mit Birgit, einer ihrer Mitbewohnerinnen, abgemacht, ins Kino zu gehen. Sie wollten sich »Rain Man« ansehen. Ich sagte, ich hätte geglaubt, wir hätten eine Verabredung. Stört es dich, wenn sie mitkommt?, fragte Sonja.
    Nach dem Film tranken wir in einer Kneipe ein Glas Wein und stritten uns über Dustin Hoffman, den ich noch nie gemocht hatte und den die zwei Frauen wunderbar fanden. Auch über den Film waren wir uns nicht einig. Ich sagte, es sei mir unerklärlich, wie Sonja auf diesen billigen Kitsch hereinfallen könne. Sie war beleidigt. Sie hatte mich schon den ganzen Abend wie einen Fremden behandelt, und unsere Meinungsverschiedenheit machte es nicht besser. Wenn ich sie küssen wollte, drehte sie den Kopf weg, und als ich ihre Hand nehmen wollte, zog sie ihre zurück. Sie sagte ziemlich bald, sie müsse ins Bett, sie sei müde. Ich begleitete die beiden Frauen. Ich hatte gehofft, bei Sonja zu übernachten, aber vor dem Haus verabschiedete sie mich so bestimmt, dass ich mich nicht traute, etwas zu sagen. Ich rufe dich an, sagte sie.
    Ein paar Tage später besuchte sie mich. Das Wetter war wieder besser

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