Sieben Jahre
geeilt und räumte die Kinderspielsachen zusammen, die überall im Gras lagen, und verschwand wieder.
Sophie kam heraus und sagte, sie könne nicht schlafen, sie habe Angst vor dem Gewitter. Ich brachte sie hinein und zurück ins Bett. Gehst du wieder nach draußen?, fragte sie, als ich ihr gute Nacht sagte. Nein, versprach ich.
Die Luft im Haus war schwer, und es war sehr still. Ich schaute ein wenig fern und ging dann noch einmal hinauf in Sophies Zimmer. Sie war eingeschlafen. Sie hatte die Decke weggestrampelt, mit einem Arm hielt sie eines ihrer unzähligen Plüschtiere umschlungen. Ich deckte sie wieder zu und ging zurück ins Wohnzimmer.
Ich war noch nicht müde genug, um ins Bett zu gehen, aber zu erschöpft, um zu lesen oder zu zeichnen. Mir fiel ein, dass Sonja mich nach dem Katalog einer Ausstellung gefragt hatte, die wir vor Jahren zusammen gesehen hatten. Ich suchte danach, aber ich konnte ihn nicht finden, vermutlich war er im Büro. Zuunterst im Regal mit den Kunstbänden standen Sonjas alte Fotoalben. Ganz am Anfang unserer Beziehung hatte sie sie mir einmal gezeigt, ihre Kinderfotos und Bilder von entfernten Verwandten und Freunden, zu denen sie keinen Kontakt mehr hatte und über die sie nie sprach. Es war, als habe sich mit dem Einkleben der Bilder dieser Teil ihrer Geschichte erledigt. Später waren noch einige Alben dazugekommen, mit Bildern von unserer Hochzeit und aus Sophies Babyjahren. In letzter Zeit hatte sie nur noch selten fotografiert, und die Bilder blieben in den Umschlägen des Labors in einer Schublade. Ich bezweifelte, dass wir sie jemals einkleben würden, zu zufällig waren die Gelegenheiten, bei denen sie entstanden waren. Ich schaute mir das Hochzeitsalbum an und dann das mit den Bildern unserer Reise nach Marseille, lauter Architekturaufnahmen im Mittelformat. Auf den Fotos waren kaum Menschen zu sehen. Ich erinnerte mich, wie ich damals mit Sonja durch die Stadt gezogen war und mich, wenn sie fotografieren wollte, vor das Gebäude gestellt hatte, um sie zu provozieren. Geh weg, hatte sie dann lachend gesagt, dich kann ich auch in München fotografieren. Aber das hatte sie nie getan. Hinten im Album lagen die Bilder, die ich von ihr gemacht hatte, als sie schlief. Sie hatte sie nicht eingeklebt, dabei waren es die einzigen jener Reise, die einen Erinnerungswert hatten. Ich fragte mich, ob ich Sonja damals geliebt hatte. Aber sie war so schön auf den Bildern, dass die Frage sich zu erübrigen schien.
Ich schaute auf die Uhr. Es war zehn. Ich zog das nächste Album aus dem Regal. Studium, stand auf der ersten Seite. Ich war nicht sicher, ob ich mir die Bilder jemals angeschaut hatte. Es waren Schnappschüsse von Partys, von Exkursionen und von der Diplomfeier. Die Bilder waren nicht mit der Rolleiflex aufgenommen, sondern im Kleinbildformat, manche mit Blitz, so dass die Gesichter flach erschienen und der Hintergrund dunkel. Die meisten Aufnahmen stammten aus der Zeit, bevor ich mit Sonja zusammen gewesen war. Wir hatten uns in unterschiedlichen Cliquen bewegt, manche der Leute kannte ich nicht, andere nur vom Sehen. Ich erkannte noch nicht einmal die Lokale, in denen die Bilder entstanden waren. Auf einigen Fotos waren Sonja und Rüdiger zu sehen, wie sie zusammen tanzten oder sich umarmten mit übertriebenen Gesten und einem Lachen für den Fotografen. Sonja wirkte sehr jung, in ihrem Gesicht war eine Ausgelassenheit, die ich nicht an ihr kannte und die ich ihr nicht zugetraut hätte. Ein wenig beneidete ich sie darum, beneidete ich Rüdiger um ihre Liebe. Meine eigene Studienzeit hatte ich weniger fröhlich in Erinnerung. Ich hatte arbeiten müssen, um Geld zu verdienen, und an den Abenden hatten wir oft in Kneipen herumgesessen und über Politik diskutiert und über die soziale Verantwortung der Architektur, statt wie die anderen zu feiern. An eine Party allerdings erinnerte ich mich noch gut. Das war im letzten Jahr des Studiums gewesen, kurz vor den Prüfungen. »Frühlings Erwachen« stand als Überschrift im Album, das war das Motto der Party gewesen. Darunter waren Bilder von Studenten in ulkigen Kostümen, die sich in immer wechselnden Zusammenstellungen vor die Kamera drängten, wohl schon im Bewusstsein, dass sie bald auseinandergehen würden. Ich sah mich zwischen Ferdi und Rüdiger stehen mit überraschtem Gesicht und noch einmal mit Ferdi und einem Kommilitonen, dessen Namen ich vergessen hatte. Und da, hinter mir in der Menschenmenge, stand Iwona. Ich wusste
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