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Sieben Phantastische Geschichten

Sieben Phantastische Geschichten

Titel: Sieben Phantastische Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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Kameraeinstellungen um Margaret, worauf sie auf eine reizend neckische Weise mit scheuen Ausblendungen und Löschungen antwortete. Als wir uns auszogen und uns gegenseitig für den anderen entblößten, verschmolzen die Schirme in einer letzten Totale, die alles in Vergessenheit sinken ließ –

    Von allem Anfang an waren wir ein hübsches Paar, teilten alle unsere Interessen und verbrachten mehr Zeit auf dem Bildschirm zusammen als jedes Ehepaar, das wir kannten. Zur rechten Zeit wurde mittels künstlicher Befruchtung Karen gezeugt und geboren, und bald nach ihrem zweiten Geburtstag im Kinderhort des Wohnhauses kam David hinzu.
    Sieben weitere Jahre häuslicher Seligkeit folgten. In diesem Zeitraum hatte ich mir durch mein Eintreten fürs Familienleben einen beachtlichen Ruf als Kinderarzt mit fortschrittlichen Ansichten erworben – diese Einheit intensiver Fürsorgewaltung, wie ich es nannte. Ich trat wiederholt für den Einbau von mehr Kameras in allen Häusern von Familienangehörigen ein und löste eine heftige Kontroverse aus, als ich vorschlug, daß Familien zusammen baden sollten, daß sie, ohne sich zu schämen, in ihren jeweiligen Schlafzimmern nackt herumgehen sollten, und daß sogar die Väter bei der Geburt ihrer Kinder dabei sein sollten, wenn auch nicht in Großaufnahme.
    Während eines angenehmen gemeinsamen Familienfrühstücks kam mir der außerordentliche Einfall, der unser Leben auf so dramatische Weise veränderte. Ich betrachtete auf dem Bildschirm das Abbild Margarets, erfreute mich an der Schönheit der kosmetischen, im Lauf der Jahre immer dickeren und komplizierteren Maske, die sie jetzt trug – was sie immer jünger aussehen ließ. Ich delektierte mich an der elegant stilisierten Art, in der wir uns jetzt einander präsentierten – glücklicherweise hatten wir uns vom Ernst Bergmans und dem gefälligeren Manierismus Fellinis und Hitchcocks zur klassischen Gelassenheit und dem Witz von René Clair und Max Ophüls weiterentwickelt, auch wenn die Kinder, mit ihrer Vorliebe für die Handkamera, noch immer knospenden Godards glichen.
    Mir fiel die impulsive Art ein, wie sich Margaret einst vor mir entblößt hatte, und ich erkannte, daß das Zusammentreffen von uns allen in Person die logische Fortsetzung von Margarets Offenheit – auf der ich praktisch meine Karriere aufgebaut hatte – war. In meinem ganzen Leben, überlegte ich mir, hatte ich nie einen anderen Menschen gesehen, geschweige denn berührt. Gab es einen besseren Anfang als die eigene Frau und die eigenen Kinder?
    Ich erzählte ihr andeutungsweise von meiner Idee und freute mich, als sie zustimmte.
    »Was für eine merkwürdige, aber großartige Idee! Warum, im Himmel, hat das bisher nie jemand vorgeschlagen?«
    Wir beschlossen sofort, uns über das archaische Verbot der Zusammenkunft mit einem anderen Menschen einfach hinwegzusetzen.
    Unglücklicherweise war unser erstes Treffen – aus einem Grund, der mir damals unerklärlich blieb – ein Mißerfolg. Um die Kinder nicht zu verwirren, beschränkte sich die erste Begegnung auf uns selbst. Ich erinnere mich an die Tage der Vorfreude, als wir die Vorbereitungen für Margarets Reise trafen – ein kompliziertes Vorhaben, denn die Menschen reisten kaum, es sei denn mit der Geschwindigkeit des Fernsehsignals.
    Eine Stunde vor ihrer Ankunft unterbrach ich die komplexen Sicherheitsvorkehrungen, die mein Haus vor der Welt draußen versiegelten, die elektronischen Alarmsignale, Stahlgitter und gasdichten Türen.
    Schließlich läutete die Glocke. An den Innenfenstern am Ende des Flurs stehend, löste ich die Verriegelung der Eingangstür. Ein paar Sekunden später trat die Gestalt einer kleinen Frau mit schmächtigen Schultern in den Flur. Obwohl sie fast zehn Meter von mir entfernt war, konnte ich sie deutlich sehen, aber ich hätte beinahe nicht erkannt, daß das die Frau war, mit der ich seit zehn Jahren verheiratet war.
    Keiner von uns beiden trug Make-up. Ohne die kosmetische Maske wirkte Margarets Gesicht teigig und ungesund, und die Bewegungen ihrer weißen Hände waren nervös und unstet. Ihr hohes Alter und vor allem ihre kleine Statur fielen mir auf. Seit Jahren kannte ich Margaret als riesige Nahaufnahme auf einem der großen Fernsehschirme im Haus. Selbst aus größerer Entfernung war sie gewöhnlich größer als diese gedrungene winzige Frau, die am Ende des Flurs kauerte. Es fiel schwer zu glauben, daß mich ihre schlaffen Brüste und schmalen Hüften je erregt

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