Sieben Phantastische Geschichten
hatten.
Verwirrt standen wir uns, ohne zu sprechen, an entgegengesetzten Enden des Flurs gegenüber. Ich erkannte an ihrem Ausdruck, daß Margaret von meinem Aussehen so überrascht war wie ich von ihrem. Überdies gab es in ihrem Auge einen merkwürdig suchenden Blick, ein Element beinahe von Feindseligkeit, das ich vorher nie an ihr bemerkt hatte.
Automatisch fuhr ich mit der Hand zur Klinke des Fallgitters. Margaret war bereits in die Einfahrt zurückgegangen, als befürchte sie, ich würde sie für immer in dem Flur einschließen. Ehe ich noch sprechen konnte, hatte sie sich umgewandt und war geflohen.
Sobald sie fort war, überprüfte ich sorgfältig die Schlösser an der Eingangstür. Um den Eingang hing ein schwacher und nicht gerade angenehmer Geruch.
Nach dieser ersten gescheiterten Zusammenkunft kehrten Margaret und ich zu dem glücklichen Frieden unseres Ehelebens zurück. Ich war so erleichtert, sie auf dem Schirm zu sehen, daß ich kaum glauben konnte, daß unsere Begegnung je stattgefunden hatte. Keiner von uns kam auf die unangenehmen Gefühle zu sprechen, die unsere kurze Begegnung hervorgerufen hatte.
In den nächsten paar Tagen dachte ich schmerzvoll über das Erlebnis nach. Anstatt uns einander näherzubringen, hatte uns die Begegnung vielmehr getrennt. Wahre Nähe, das wußte ich jetzt, war Fernsehnähe – die Intimität der Zoomlinse, das Kehlkopfmikrofon, die Totale selbst. Auf dem Fernsehschirm gab es keinen Körpergeruch und kein heftiges Atmen, keine Pupillenverengungen und Gesichtsreflexe, keine gegenseitige Abschätzung von Gefühlen und Vorurteilen, kein Mißtrauen und keine Unsicherheit. Zuneigung und Leidenschaft erforderten Distanz. Nur in der Entfernung konnte man jene wahre Nähe zu einem anderen Menschen finden, die sich, wenn es Gottes Gnade wollte, in Liebe verwandeln mochte.
Nichtsdestoweniger vereinbarten wir unausweichlich eine zweite Begegnung. Warum wir das taten, verstehe ich noch immer nicht, aber wir schienen alle beide von jenen Motiven der Neugier und des Mißtrauens angetrieben zu sein, die wir vermutlich am meisten fürchteten. Die ruhige Erörterung mit Margaret brachte mir die Erkenntnis, daß sie dieselbe Abneigung gegen mich verspürt hatte, die ich gegen sie empfunden hatte, dieselbe versteckte Feindschaft.
Wir beschlossen, beim nächsten Zusammentreffen die Kinder mitzunehmen, alle Make-up zu tragen und unser Verhalten so eng wie möglich anhand unseres gemeinsamen Bildschirmlebens zu modellieren. Dementsprechend kamen Margaret und ich, David und Karen, jene Einheit intensiver Fürsorgewaltung, zum ersten Mal in meinem Wohnzimmer zusammen.
Karen regt sich. Sie ist über den Schaft der zerbrochenen Stehlampe gerollt, und ihr Körper starrt mir über den blutgetränkten Teppich entgegen, so nackt wie damals, als sie sich vor mir auszog. Diese herausfordernde Handlung, vermutlich in der Absicht unternommen, eine im Geist ihres Vaters vergrabene inzestuöse Phantasievorstellung wachzurütteln, wirkte als Initialzündung für jene Explosion der Gewalt, die uns blutig und erschöpft in den Trümmern meines Wohnzimmers zurückließ. Trotz aller Wunden auf ihrem Körper, der blauen Flecken, die ihre kleinen Brüste entstellen, erinnert sie mich an Manets Olympia, vielleicht eine wenige Stunden nach dem Besuch eines psychotischen Kunden gemalte Olympia.
Auch Margaret beobachtet ihre Tochter. Sie sitzt vornübergeneigt und beäugt Karen mit einem Blick, der besitzergreifend und bedrohlich zugleich ist. Von einem kurzen Tritt in meine Hoden abgesehen, hat sie mich ignoriert. Aus irgendeinem Grund haben sich die beiden Frauen gegenseitig als Hauptziele erwählt, ebenso wie David nahezu seine ganze Feindschaft an mir ausgelassen hat. Als ich ihn zuerst ohrfeigte, hatte ich nicht erwartet, daß er die Schere in der Hand haben würde. Er ist nur noch ein paar Meter von mir entfernt, bereit zur letzten Attacke. Aus irgendeinem Grund schien ihn besonders die Auswahl an Teddybären zu empören, die ich so sorgfältig für ihn aufgestellt hatte, und die Überreste der zerstückelten Tiere liegen überall auf dem Boden verstreut.
Glücklicherweise kann ich jetzt etwas freier atmen. Ich bewege den Kopf, um die Deckenkamera und meine Mitkombattanten in den Blick zu bekommen. Wir alle zu sammen bilden einen grotesken Anblick. Das schwere Fernseh-Make-up, das wir alle zu tragen beschlossen, hat sich zu bizarren Masken verwischt.
Dessen ungeachtet sind wir zu guter Letzt
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