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Sieben Phantastische Geschichten

Sieben Phantastische Geschichten

Titel: Sieben Phantastische Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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beisammen, und meine Zuneigung für sie läßt alle diese kleinen Probleme gegenseitiger Anpassung bedeutungslos erscheinen. Gleich als sie ankamen, verrieten der blaue Fleck am Kopf meines Sohnes und die blutenden Ohren meiner Frau Anzeichen eines potentiell tödlichen Handgemenges. Ich wußte, daß es eine Zeit der Prüfungen wäre. Zumindest aber machen wir einen Anfang, auf unsere beschränkte Weise versuchen wir die Möglichkeit einer neuen Art von Familienleben.
    Alle atmen jetzt heftiger, und in einer Minute wird unzweifelhaft die Attacke beginnen. Ich kann die blutige Schere in der Hand meines Sohnes sehen und erinnere mich an den Schmerz, als er zustach. Ich stemme mich gegen das Sofa, bereit, ihm ins Gesicht zu treten. Mit dem rechten Arm bin ich vielleicht stark genug, um es mit derjenigen aufzunehmen, die die letzte Konfrontation zwischen meiner Frau und meiner Tochter überlebt. Ich lächle ihnen liebevoll zu, die Wut läßt mir das Blut in der Kehle stocken, und ich empfinde nur ein Gefühl grenzenloser Liebe.

    Die Konzentrationsstadt

    The Concentration City

    aus: J. G. Ballard: Das Katastrophengebiet, Suhrkamp 1983
    Übersetzung: Charlotte Franke, Alfred Scholz

    Mittags auf der millionsten Straße:
    »Tut mir leid, aber wir sind hier in den Westmillionen. Sie müssen in die 9775335. Ost.«
    »Fünf Dollar der Kubikfuß? Dann verkaufen Sie!«
    »Nehmen Sie einen Expreß nach Westen, bis zur 495. Avenue, dort steigen Sie in einen Redline-Lift um und fahren tausend Ebenen hoch, bis zum Plaza Terminal. Von dort aus halten Sie sich immer in südlicher Richtung, dann stoßen Sie zwischen der 568. Avenue und der 422. Straße von alleine drauf.«
    »Unten in KEN County hat es einen Einsturz gegeben! Fünfzigmal zwanzig Blocks auf dreißig Ebenen.«
    »Hör dir das an – PYROMANEN INSZENIEREN MASSENAUSBRUCH! FEUERWEHR SPERRT GANZEN BEZIRK!«
    »Ein wunderbarer Zähler ist das. Mißt bis zu .005 Prozent Monoxid. Hat dreihundert Dollar gekostet.«
    »Haben Sie schon die neuen Intercity-Schlafwagen gesehen? Die brauchen für 3000 Ebenen aufwärts nur zehn Minuten!«
    »90 Cents der Fuß? Dann kaufen Sie!«
    »Sie wollen also behaupten, diese Idee wäre Ihnen im Traum gekommen?« schnarrte die Stimme. »Und Sie sind ganz sicher, daß sie Ihnen niemand eingeredet hat?«
    »Ja«, sagte M. Ein Stück von ihm entfernt war ein Scheinwerfer auf ihn gerichtet und warf einen schmutziggelben Lichtkegel in sein Gesicht. Er schloß die Augen vor dem grellen Schein und wartete, während der Sergeant an seinen Schreibtisch ging, mit den Fingern gegen die Kante klopfte und sich wieder zu ihm umdrehte.
    »Haben Sie mit Ihren Freunden darüber gesprochen?«
    »Nur über die erste Theorie«, erklärte M. »Über die Möglichkeit des Fliegens.«
    »Aber Sie sagen doch, die andere Theorie wäre wichtiger. Warum haben Sie ihnen davon nichts erzählt?«
    M. zögerte. Draußen fuhr klappernd ein Wagen über die Hochbahn. »Ich hatte Angst, daß sie mich nicht verstehen würden.«
    Der Sergeant stieß ein Lachen aus. »Soll das heißen, daß die Sie vielleicht für verrückt erklärt hätten?«
    M. rutschte verlegen auf seinem Stuhl hin und her. Die Sitzfläche war nur fünfzehn Zentimeter über dem Boden, und seine Schenkel fühlten sich wie brennend heiße Gummistücke an. Nach drei Stunden Kreuzverhör war es nicht mehr weit her mit der Logik. »Die Idee war ein bißchen abstrakt. Es ließ sich nicht in Worte fassen.«
    Der Sergeant schüttelte den Kopf. »Ich bin froh, daß Sie das selbst sagen.« Er setzte sich an den Tisch, betrachtete M. einen Augenblick und ging dann zu ihm.
    »Hören Sie«, sagte er vertraulich. »Es wird spät. Glauben Sie immer noch, daß beide Theorien vernünftig sind?«
    M. blickte auf. »Sind sie das denn nicht?«
    Der Sergeant drehte sich zu dem Mann um, der im
    Schatten neben dem Fenster stand und sie beobachtete. »Wir vergeuden nur unsere Zeit«, sagte er mit schnarrender Stimme. »Ich übergebe ihn der Psycho-Abteilung. Sie haben genug gesehen, nicht wahr, Doktor?«
    Der Arzt starrte auf seine Hände. Er hatte sich an dem Verhör nicht beteiligt, als würden ihn die Methoden des Polizisten langweilen.
    »Ich würde gern etwas herausfinden«, sagte er. »Lassen Sie mich eine halbe Stunde lang mit ihm allein.«
    Als der Sergeant gegangen war, setzte sich der Arzt hinter den Tisch, starrte aus dem Fenster und lauschte dem eintönigen Zischen der Luft, die aus dem Ventilatorschacht in der Straße

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