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Sieben Phantastische Geschichten

Sieben Phantastische Geschichten

Titel: Sieben Phantastische Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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der Verkäufer eine Postkarte ab und ging zum Lift zurück.
    Bevor er ins Studentenheim zurückkehrte, ging er noch Gregson besuchen. Die Gregsons lebten in einer 3-Zimmer-Wohnung, direkt unter dem Dach, in der 985. Avenue der Westmillionen. Franz kannte sie seit dem Tod seiner Eltern, aber Gregsons Mutter betrachtete ihn immer noch mit einer Mischung aus Zuneigung und Mißtrauen. Als sie ihn mit ihrem üblichen Willkommenslächeln einließ, bemerkte er, wie sie einen kurzen Blick auf den Detektor warf, der im Flur angebracht war.
    Gregson war in seinem Zimmer und damit beschäftigt, Papierrahmen auszuschneiden und sie auf ein großes zerbrechliches Gebilde zu kleben, das ganz entfernt an das Modell von Franz erinnerte.
    »Hallo, Franz. Wie sieht’s aus?«
    Franz zuckte die Achseln. »Eine ganz gewöhnliche Erschließung. Aber sehenswert.«
    Gregson deutete auf seine Konstruktion: »Glaubst du, daß wir es da draußen ausprobieren können?«
    »Ja, ich denke schon.«
    Franz setzte sich aufs Bett. Er hob einen Papierpfeil auf, der neben ihm lag, und warf ihn aus dem Fenster. Er schwebte auf die Straße, glitt in einer großen Schleife langsam nach unten und verschwand in der Öffnung des Lüftungs-Schachts.
    »Wann wirst du das nächste Modell bauen?« fragte Gregson.
    »Überhaupt nicht. Ich baue keins mehr.«
    Gregson sah ihn an. »Warum denn nicht? Du hast doch deine Theorie bewiesen.«
    »Darum geht es mir nicht.«
    »Ich versteh dich nicht, Franz. Worum geht es dir denn?«
    »Um freien Raum.«
    »Frei?« wiederholte Gregson.
    Franz nickte. »Im doppelten Sinne.«
    Gregson schüttelte betrübt den Kopf und schnitt einen weiteren Papierrahmen aus. »Du bist ja verrückt, Franz.«
    Franz stand auf. »Nimm einmal dieses Zimmer hier«, sagte er. »Es ist 20 mal 10 mal 10 Fuß groß. Wenn du seine Dimensionen bis ins Unendliche vergrößerst, was bekommst du dann?«
    »Eine Erschließung.«
    »Bis ins Unendliche ?«
    »Nichtfunktionellen Raum.«
    »Na, und?« fragte Franz ungeduldig.
    »Der Gedanke ist absurd.«
    »Und warum?«
    »Weil so was gar nicht existieren könnte.«
    Franz schlug sich verzweifelt mit der Hand an die Stirn. »Aber warum denn nicht?«
    Gregson fuhr mit der Schere durch die Luft. »Es ist ein Widerspruch in sich. Wie die Erklärung: Ich lüge. Nur eine verbale Mißbildung. Theoretisch interessant, aber es hat keinen Sinn, nach einer Bedeutung zu suchen.« Er warf die Schere auf den Tisch. »Und außerdem, weißt du eigentlich, wieviel freier Raum kosten würde?«
    Franz ging hinüber zum Bücherregal und zog einen Band heraus. »Sehen wir doch mal in deinem Straßenatlas nach.« Er schlug den Index auf. »Das ergibt 1000 Ebenen. KOI COUNTY, 1000 Kubikmeilen, 30 Millionen Einwohner.«
    Gregson nickte.
    Franz klappte den Atlas zu. »150 Distrikte, einschließlich KNI, bilden zusammen den 493. Sektor, und die Vereinigung der 1500 angrenzenden Sektoren ergeben die
    298. Kommunalunion.« Er brach ab und sah Gregson an. »Nur mal interessehalber: Hast du je etwas davon gehört?«
    Gregson schüttelte den Kopf. »Nein. Wie –«
    Franz warf den Atlas auf den Tisch. »Ungefähr 4 * 10 15 Kubik-Großmeilen.« Er lehnte sich ans Fensterbrett. »Und jetzt sag mir mal: Was liegt hinter der 298. Kommunalunion?«
    »Ich schätze, noch andere«, sagte Gregson. »Ich verstehe nicht, worauf du hinaus willst.«
    »Und was kommt danach?«
    »Wieder andere. Warum nicht?«
    »Immer wieder neue?« fragte Franz.
    »Na ja, so weit es eben geht.«
    »Das große Straßenverzeichnis in der Bibliothek des alten Schatzamts in der 240. Straße ist das umfassendste, das es im ganzen County gibt«, sagte Franz. »Ich war heute morgen dort. Es nimmt drei komplette Ebenen ein. Millionen Bände. Aber es geht nicht über die 298. Kommunalunion hinaus. Niemand dort hatte eine Ahnung, was dahinter liegen könnte. Warum nicht?«
    »Warum sollten sie?« fragte Gregson. »Franz, worauf willst du hinaus?«
    Franz ging zur Tür. »Komm mit ins bio-historische Museum. Dann zeig ich’s dir.«
    Die Vögel saßen auf Felsblöcken oder stolzierten auf den sandigen Wegen zwischen den Wasserpfützen.
    »Archaeopteryx«, las Franz auf einem der Schilder an den Käfigen. Der Vogel, dürr und von Mehltau befallen, stieß ein klägliches Krächzen aus, als er ihn mit einer Handvoll Bohnen fütterte.
    »Bei manchen dieser Vögel ist noch ein Überbleibsel des Schultergürtels vorhanden«, sagte Franz. »Kleine Kno chenstücke, die im Gewebe rings um

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