Sieben Phantastische Geschichten
die Werbung.« Bevor Judith antworten konnte, klingelte das Telefon. Franklin hob den Hörer vom Apparat in der Küche ab, lauschte dem Wortschwall, der sich daraus ergoß. Zuerst glaubte er fast, daß es sich um irgendeine ausgefallene Prestigewerbung handelte, erkannte dann aber gleich, daß es Hathaway war, der unheimlich in Fahrt zu sein schien.
»Hathaway«, brüllte er in den Hörer. »Um Himmels willen, beruhigen Sie sich! Was ist denn nun schon wieder los?«
»Doktor, diesmal müssen Sie mir glauben. Ich bin mit einem Stroboskop auf eine von diesen Inseln geklettert, da sind Hunderte von Klappen, die blitzschnell auf- und zugehen und wie Maschinengewehre rattern, mitten ins Gesicht fährt es einem, daß man absolut nichts sehen kann, es ist phantastisch! Bei der nächsten großen Kampagne geht’s um Autos und Fernsehapparate, die wollen einen zweimonatlichen Modellwechsel einführen – stellen Sie sich bloß mal vor, Doktor, alle zwei Monate ein neues Auto? Großer Gott, das ist ja –«
Franklin wartete ungeduldig die fünf Sekunden lange Unterbrechung der Werbung ab (alle Telefonanrufe waren unentgeltlich, aber die Länge der Werbeeinschübe richtete sich nach der Entfernung – bei Ferngesprächen über weite Strecken stand die Werbung oft in einem Verhältnis von 10:1 zum Gesprochenen, so daß sich die Teilnehmer verzweifelt bemühen mußten, zwischen den ständigen Unterbrechungen auch nur ein einziges Wort anzubringen), aber als sie gerade zu Ende ging, legte er entschlossen den Hörer auf und nahm ihn dann wieder von der Gabel.
Judith ging zu ihm und legte ihm den Arm um die Schultern. »Was ist denn, Robert? Du siehst schrecklich gestreßt aus.«
Franklin nahm sein Glas und ging ins Wohnzimmer. »Es war nur Hathaway. Du hast völlig recht, ich beschäftige mich ein bißchen zu viel mit ihm. Er geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.«
Er starrte auf die dunklen Konturen des Transparents über dem Supermarkt, dessen rote Warnlichter am Nachthimmel strahlten. Leer und namenlos, wie ein Stück Raum, der für immer in einem wahnsinnigen Geist eingeschlossen ist; was ihn erschreckte, war seine völlige Anonymität.
»Und trotzdem bin ich mir nicht ganz sicher«, murmelte er. »Eine Menge von dem, was Hathaway sagt, klingt plausibel. Diese unterbewußten Techniken wären genau die Art letzter Versuch, den man von einem überkapitalisierten Wirtschaftssystem zu erwarten hätte.«
Judith antwortete nicht, und er sah sie an. Sie stand mitten im Zimmer, die Hände schlaff ineinandergelegt, ihr kantiges, intelligentes Gesicht merkwürdig stumpf und teilnahmslos. Ihr starrer Blick war nach draußen, über die Dächer, gerichtet. Franklin wandte mit einer angestrengten Bewegung den Kopf ab und schaltete schnell den Fernseher an.
»Komm«, sagte er verbissen. »Wir wollen fernsehen. Du lieber Himmel, wir brauchen diesen vierten Apparat dringend.«
Eine Woche darauf begann Franklin damit, Inventur zu machen. Von Hathaway sah und hörte er nichts mehr; wenn er abends aus dem Krankenhaus kam, war von der vertrauten schäbigen Gestalt nirgends etwas zu sehen. Als die ersten Explosionen durch die Stadt hallten und er las, daß jemand versuchte, die großen Schilder zu zerstören, schloß er daraus fast automatisch, daß Hathaway etwas damit zu tun hätte, aber dann hörte er in den Nachrichten, daß die Detonationen von Bauarbeitern ausgelöst worden wären, die irgendwelche Fundamente freigelegt hätten.
Immer mehr Schilder tauchten über den Dächern auf, die auf abgegrenzten Stellen in der Nähe der Einkaufszentren errichtet worden waren. Auf der zehn Meilen langen Strecke bis zum Krankenhaus waren es bereits über dreißig, die wie riesige Dominomasken Schulter an Schulter neben den dahineilenden Autos aufragten. Franklin hatte es aufgegeben, so zu tun, als sähe er sie nicht, aber die vage Möglichkeit, daß es sich bei den Explosionen um Hathaways Gegenschlag handeln könnte, hielt sein Mißtrauen wach.
Er begann mit der Inventur, nachdem er die Nachrichten gehört hatte, und stellte fest, daß Judith und er im Verlauf der letzten vierzehn Tage folgende Posten gekauft hatten:
Auto (vorheriges Modell 2 Monate alt)
2 Fernsehgeräte (4 Monate)
Motorrasenmäher (7 Monate)
elektrischer Herd (5 Monate)
Haartrockner (4 Monate)
Kühlschrank (3 Monate)
2 Radioapparate (7 Monate)
Plattenspieler (5 Monate)
Cocktailbar (8 Monate)
Die Hälfte dieser Käufe hatte er selbst getätigt, aber wann das gewesen
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