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Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Titel: Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nirgendwohin gehen lassen würde, ganz gleich, was sie antworten mochte.
    »Ich will zu meinem Va–«, begann sie, verbesserte sich aber sofort: »Zu meinem Meister. Zu Goten, dem Hexenjäger.« Niemand durfte wissen, dass sie seine Tochter war, und wenn sie dergleichen hier behauptet hätte, hätte man sie, ohne zu zögern, aus der Stadt geworfen.
    »Zu Goten? Soso«, sagte der Wachmann mit selbstgefälligem Grinsen. »Und was willst du von ihm?«
    »Ihn bitten, dich bei lebendigem Leibe häuten zu lassen«, stieß sie wutentbrannt aus, trat dem Mann mit aller Kraft vors Schienbein und hetzte an ihm vorbei ins Innere der Zitadelle. Hinter ihr wurde Geschrei laut, erst das des Wächters, dann auch aus den Kehlen anderer Soldaten.
    Na, prächtig, dachte sie. Und wie lautet jetzt dein Plan? Du weißt ja nicht mal, wo sich die Hexenjäger versammelt haben! Du wirst ihn niemals finden!
    Sie stürmte an einem Mann vorbei, der mit beiden Händen nach ihr greifen wollte, tauchte unter der ausgestreckten Lanze eines anderen hinweg. Blitzschnell rannte sie auf einen Torbogen zu, der in das Hauptgebäude der Zitadelle führte. Wenn überhaupt irgendwo, dann würde sie wohl dort auf die Versammlung der Hexenjäger stoßen.
    Der Gang, der vom Tor aus tiefer in die Zitadelle führte, war zu ihrer Erleichterung menschenleer. Offenbar handelte es sich nur um einen Nebeneingang. Hinter sich hörte sie immer noch das Gebrüll der Wachleute, das Rasseln ihres Rüstzeugs und das schrille Schleifen von Klingen, die aus ledernen Scheiden gezogen wurden. Dea war klar, dass sie so gut wie tot war, wenn die Männer sie in die Finger bekamen. Ihr Vater war ihre einzige Rettung!
    Vor ihr trat aus einer Tür eine Magd, die einen hohen Haufen mit Laken auf den Armen balancierte. Die Stoffe waren so hoch gestapelt, dass sie das Gesicht der Frau verdeckten. Noch hatte sie Dea nicht bemerkt.
    Dea stellte ihr ein Bein. Mit einem Aufschrei stürzte die Magd vornüber und fiel mit dem Gesicht in die Laken. Als sie wieder aufschaute, stand Dea schon über ihr und hatte den stumpfen Dolch gezückt, den sie einst vom Giebelsteiner Dorfschmied geschenkt bekommen hatte. Möglichst grimmig blickte Dea auf die Frau herab, die sofort zu wimmern und zu schreien begann, sich aufrappelte und mit hoch erhobenen Armen davonlief.
    Dea steckte den Dolch weg, sammelte die Laken auf und trug sie nun ihrerseits auf beiden Armen vor sich her. Ihr Gesicht war nun verdeckt, was sie immerhin vorübergehend tarnen würde.
    Mit dem Stoffbündel lief sie weiter und gelangte in einen hohen Raum, in dem mehrere Mägde und Bedienstete allerlei Arbeiten nachgingen. Fast alle trugen irgendetwas umher. Zwischen ihnen fiel Dea nicht weiter auf.
    Hinter ihr erreichte ein halbes Dutzend Bewaffneter den Raum. Suchend schauten die Männer sich um und rannten weiter. Sie hatten Dea hinter den Stoffballen nicht erkannt. Allerdings war es nur eine Frage der Zeit, bis die aufgeregte Magd irgendwen über ihre Begegnung mit dem Mädchen in Kenntnis setzen würde. Spätestens dann war Deas notdürftige Tarnung nutzlos.
    Sie lief weiter, drang tiefer in die düstere Zitadelle vor, bis sie schließlich durch ein offenes Portal eine Versammlung von Männern entdeckte. Und da – sie konnte ihr Glück kaum fassen – war auch Goten!
    Augenscheinlich hatte die eigentliche Beratung noch nicht begonnen, denn viele der Hexenjäger hatten noch nicht an der großen Tafel im Zentrum der Halle Platz genommen. Es mussten etwa zwanzig sein, schätzte Dea, vielleicht sogar mehr. Goten saß allein für sich an einer Ecke der Tafel und redete mit niemandem. Dea wusste, dass er die Gesellschaft der anderen Hexenjäger nicht schätzte.
    Sie atmete tief durch, dann schleuderte sie die Laken beiseite und rannte geradewegs in die Halle auf Goten zu.
    Er entdeckte sie, als sie ihn fast erreicht hatte. Auch einige der anderen Kirchenrichter bemerkten sie, hielten in ihren Gesprächen inne oder wichen überrascht beiseite.
    »Dea!«, entfuhr es Goten. Zum ersten Mal sah sie ihn wirklich überrascht. »Was tust –«.
    Sie unterbrach ihn, während sie atemlos vor ihm stehen blieb. »Die Wachen sind hinter mir her«, rief sie japsend. »Und die Magd. Und überhaupt wahrscheinlich jeder in dieser ganzen blöden Bruchbude. Und sie –«.
    Goten sprang auf und zog sie beiseite, bevor sie noch mehr Aufmerksamkeit unter den anderen Hexenjägern erregen konnte. »Nur meine Gehilfin«, sagte er zu jenen, die am nächsten

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