Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends
standzuhalten.
»Diese Dämonen, von denen deine Freunde faseln, sind ganz gewöhnliche Menschen«, sagte er und hatte merkliche Mühe, seine Stimme im Zaum zu halten. »Es sind Männer aus dem Norden, wahrscheinlich Händler im Auftrag des Nordlandkönigs. Sie führen keinen Eroberungszug. Vielleicht rauben sie ein paar Höfe aus auf ihrem Weg, das ist alles.«
»Und die Drachen?«
»Die Buge ihrer Schiffe sind geformt wie Drachenköpfe.«
»Aber die Verwandlung in Dämonen, wie willst du die erklären?«
»Die Nordmänner sind bekannt dafür, dass sie sich im Kampf in eine Art Wahn hineinsteigern. Ein schrecklicher Blutrausch, der sie stärker, zäher und nahezu unbesiegbar macht. Berserker nennen sie sich, wenn sie in diesem Zustand sind. Das hat nichts mit dem Teufel zu tun. Oder mit Dämonen.«
»Die Menschenopfer?«
»Die Wikinger glauben an grausame Götter, deshalb sind sie selber grausam. So war es schon immer, und so wird es auch bleiben.«
Dea platzte fast vor Wut, aber auch vor Enttäuschung. »Du kannst wohl alles irgendwie erklären, was?«
»Fast alles.«
»Du bist ein Besserwisser.«
»Ich bin ein Gelehrter.« In einem Anflug von Betroffenheit fügte er hinzu: »Wenigstens war ich das einmal.«
»Was bringt sie hierher?«
»Wahrscheinlich sind sie auf dem Heimweg aus Byzanz. Sie treiben mit den Herrschern dort rege Geschäfte. Manchmal kommt es vor, dass sie sich auf dem Weg über Land verirren. Sie sind Seefahrer, keine Fährtensucher oder Kundschafter. Wenn sie ihre Richtung nicht mehr finden, werden sie wütend und verzweifelt. Dann beginnen sie zu plündern und zu brandschatzen. Das ist schlimm und traurig, aber nichts, an dem ich irgendetwas ändern könnte.«
Sie schwiegen eine Weile, und Dea widmete sich lustlos ihrem kalt gewordenen Essen. Schließlich legte sie den hölzernen Löffel ab und schob die Schale von sich.
»Ich hab dich schon ein paar Mal gefragt, und du hast mir nie eine Antwort gegeben. Aber jetzt will ich die Wahrheit wissen: Was für ein Angebot war das, von dem Abakus gesprochen hat?«
»Psst«, machte er und legte den fettverschmierten Zeigefinger an die Lippen. »Sprich seinen Namen nicht so laut aus. Abakus war hier, erst gestern oder vorgestern. Die Leute erinnern sich an ihn. Ich will nicht, dass uns irgendwer mit ihm in Verbindung bringt.«
»Abakus ist hier gewesen?«, fragte sie erstaunt. »Dann sind wir immer noch hinter ihm?«
»Ja.«
»Warum reisen wir nicht mit ihm zusammen?«
Goten schüttelte den Kopf. »Das willst du doch nicht wirklich, oder?«
»Nein, aber ich dachte, vielleicht du.«
»Ich sag’s dir noch mal: Abakus ist nicht mein Freund.«
»Zu ihm hast du was anderes gesagt.«
»Für Abakus gibt es nur Freunde und Feinde. Mir ist lieber, er hält uns für Freunde.«
»Du hast Angst vor ihm«, stellte Dea fest.
»Das ist es nicht ganz. Nicht Angst um mich – Angst um die ganze Welt!«
»Wie, zum Teufel, meinst du das nun wieder?«
Deas Gedanken kreisten in einem einzigen Taumel aus Wut und Verwirrung. Diese Geheimnistuerei brachte sie noch um den Verstand!
Goten zögerte, bevor er sich schließlich entschloss, ihr ein wenig mehr zu verraten. »Abakus ist nicht der, für den er sich ausgibt.«
»Sondern?«
»Er behauptet, Hexen und Dämonen zu jagen, aber das ist nicht die Wahrheit. Sicher, er sucht sie überall im Land – die echten Hexen, meine ich –, aber statt sie vor Gericht zu stellen, unterbreitet er ihnen ein Angebot.«
»So wie dir?«
»Ich bin kein Hexer. Aber, ja, auch mir hat er dieses Angebot gemacht. Er versucht, die Hexen – und mich – auf seine Seite zu ziehen. Auf die Seite des Arkanums.«
»Was ist das, ein … ein …?«
»Das Arkanum. Ein geheimer Bund der übelsten und grausamsten Hexen, die du dir vorstellen kannst. Abakus ist ihr Anführer. Als Hexenjäger verurteilt er nur Unschuldige. Die wahren Hexen aber überredet er, dem Arkanum beizutreten. Innerhalb weniger Wochen hat er seine Fühler in alle Richtungen ausgestreckt. Schon gibt es überall im Land Hexen, die ihm dienen.«
Dea war blass geworden. »Du hast zu ihm gesagt, du überlegst dir, ob du sein Angebot annimmst.«
»Glaubst du denn wirklich, das würde ich tun?«
»Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht.«
Seine Augen schienen sie anzuflehen. »Vertrau mir, Dea. Das ist das Wichtigste überhaupt. Du darfst nicht an mir zweifeln. Versprichst du mir das?«
»Ich …« Sie zögerte noch immer. »Ja … ja, ich
Weitere Kostenlose Bücher