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Sieben Siegel 01 - Die Rückkehr des Hexenmeisters

Titel: Sieben Siegel 01 - Die Rückkehr des Hexenmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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vor vielen hundert Jahren?«
    »Als jeder, der einen anderen nicht leiden konnte, zum Pfarrer gehen und den anderen als Hexe oder Zauberer anzeigen konnte?«
    »Genau. Die Kirche ließ diese unglücklichen Menschen foltern, bis sie alles gestanden, und dann wurden sie auf Scheiterhaufen zu Asche verbrannt. Solche Verbrechen sind überall in Europa begangen worden, aber hier in Giebelstein waren die Hexenjäger besonders grausam. Hier bei uns hat es schon immer Menschen gegeben, die von sich behaupteten, gewisse Fähigkeiten zu besitzen – Naturheiler, Kräuterfrauen und so weiter.«
    »So wie du?«
    Tante Kassandra lächelte. »Mich hätte man bestimmt als eine der Ersten auf den Scheiterhaufen gestellt.«
    Kyra grinste. »Wenn sie deinen Tee probiert hätten, ganz sicher.«
    Tante Kassandra packte Kyras Nasenspitze und zog daran, bis das Mädchen vergnügt aufquietschte. Dann erzählte sie weiter.
    »Aber du musst wissen, hier in Giebelstein gab es auch wirkliche Hexen. Böse Hexen. Verschlagene Weiber, die sich einen Spaß daraus machten, anderen Schaden zuzufügen, sie zu quälen und sich ihren Besitz anzueignen. Sie verkauften die Seelen Unschuldiger an den Teufel und erhielten dafür Reichtümer, ewiges Leben oder was immer sonst sie sich wünschten. Tja, man muss wohl sagen, Giebelstein war in der Tat eine Hochburg der schwarzen Magie, der Satansanbetung und der Menschenopfer. Diese Kreaturen trafen sich draußen in den Wäldern – die waren damals noch viel tiefer und dunkler als heute –, und dort feierten sie in der Walpurgisnacht ihren Hexensabbat. Das waren schlimme Zeiten damals. Grausame Zeiten.«
    Tante Kassandra holte tief Luft, dann fuhr sie fort: »Schließlich erfuhr auch der Papst davon. Und er schickte den gefährlichsten und schrecklichsten aller Hexenjäger nach Giebelstein. Einen Mann namens Abakus.«
    »Wie unsere Kirche?«, fragte Kyra erstaunt.
    »Sie wurde nach ihm benannt. Aber warte, dazu komme ich später. Dieser Abakus war ursprünglich Mönch in einem Kloster gewesen, irgendwo weit entfernt von hier – bis ihn der Papst zum Inquisitor berief.«
    »Inqui … was?«
    »Inquisitor. So nannte man die Hexenjäger. Fortan zog Abakus durchs Land und hielt in jedem Dorf und in jeder Stadt, durch die er kam, Gericht über Menschen, die von anderen der Hexerei angeklagt worden waren. Bei Abakus gab es keine Freisprüche oder Gnade. Er folterte die Unschuldigen, bis sie aus lauter Verzweiflung Lügen erzählten und alles gestanden. Dann ließ er sie bei lebendigem Leibe verbrennen.«
    »So ein Scheusal.«
    »Das kannst du laut sagen! Abakus war das Schlimmste aller Scheusale, schlimmer als jeder Räuberhauptmann oder Piratenkapitän. Für Abakus ist das Wort ›Scheusal‹ erst erfunden worden, könnte man sagen.«
    »Und dieses Riesenscheusal kam nach Giebelstein?«
    Tante Kassandra nickte. »Ganz genau so war es.« Sie senkte geheimnisvoll die Stimme. »Aber weißt du, warum Abakus wirklich der Furchtbarste unter den Hexenjägern war?«
    »Warum?«
    »Weil er in Wahrheit selbst einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte. Jawohl, Abakus war selbst ein Hexenmeister – aber das hat man natürlich erst ein paar hundert Jahre später herausgefunden. Und selbst heute glaubt noch nicht jeder daran. Die Wahrheit aber ist: Abakus tarnte sich nur als Inquisitor im Auftrag der Kirche. In Wahrheit war er der oberste Herr eines Geheimbundes von Hexen in der ganzen Welt! Abakus war der Herr des Arkanums!«
    »Was ist das … ein Arkanum?«
    »Das Arkanum – so nennt sich die geheime Vereinigung der Hexen, damals genauso wie heute. Die drei Frauen, die ihr gesehen habt … auch sie gehören zum Arkanum.«
    »Dieser Abakus war also in Wirklichkeit der Anführer aller Hexen?«
    »Allerdings. Und deshalb stellte er tausende von u n schuldigen Männern und Frauen auf den Scheiterhaufen, um so die Schandtaten der wahren Hexen und Hexenmei s ter zu vertuschen. Genauso machte er es auch hier bei uns in Giebelstein. Alle, die sich verdächtig gemacht hatten, in Wahrheit aber gar keine Hexen waren, wurden hingeric h tet – die echten Teufelsdiener aber, jene, die in den Wäldern Menschen opferten und andere Verbrechen begingen, kamen ungeschoren davon.«
    »Und das hat damals keiner herausgefunden?«
    Tante Kassandra zog eine Grimasse. »Wie denn? Jeder, der sich gegen Abakus stellte oder auch nur ein einziges Widerwort wagte, wurde selbst der Hexerei bezichtigt. Es gab nicht viele, die das versucht haben –

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