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Sieben Siegel 01 - Die Rückkehr des Hexenmeisters

Titel: Sieben Siegel 01 - Die Rückkehr des Hexenmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Mohr gerade seinen Buchladen aufschloss, um ins Haus zu gehen. Auch er trug seinen dunklen Sonntagsanzug.
    »Ist die Messe etwa schon vorbei?«, fragte Kyra. Um ehrlich zu sein, kannte sie sich mit derlei Dingen nicht besonders gut aus. Sie und Tante Kassandra gingen nie zur Kirche.
    »Ausgefallen«, erwiderte Herr Mohr knapp. Er war sehr alt, weit über siebzig, und er sprach niemals mehr als nötig. »Der Pastor ist krank.«
    »Was hat er denn?«, fragte Kyra und wunderte sich, wie heiser sie mit einem Mal klang.
    »Starke Grippe. Seine neue Haushälterin hat einen Zettel an die Kirchentür gehängt.«
    »Und wie geht es ihm?«
    »Ein paar Frauen wollten zu ihm, aber die Haushälterin hat keinen reingelassen. Er schläft, sagt sie.«
    »Du liebe Güte«, murmelte Kyra, der ein schlimmer Verdacht kam.
    Herr Mohr nickte ihr zu und verschwand in seinem Buchladen. Als die Tür zuschlug, wehte mit einer Staubwolke der Geruch von Buchbinderleim und altem Papier ins Freie.
    Kyra hätte sich am liebsten die Haare gerauft. Das durfte doch alles nicht wahr sein!
    Erst verschwand Tante Kassandra, vielleicht in eine Ratte verwandelt, die gerade im Brotkasten saß und frühstückte … oder in eine Spinne, die sich zu ihren Artgenossen unter dem Kühlschrank gesellt hatte. Und dann blieb sonntags auch noch die Kirche geschlossen! Unter den religiösen Bewohnern Giebelsteins würde das für einige Aufregung sorgen.
    Kyra bezweifelte nicht, dass die neue Haushälterin des Pastors eine der drei Hexen war. Kein Wunder: Eine Horde singender und betender Menschen, die das Hexentreiben in der Kirche störte, stand dem Arkanum natürlich im Weg. Vor allem, wenn es darum ging, den grausamen Abakus persönlich zurück ins Leben zu rufen.
    Warum nur musste auch alles so kompliziert sein? Wären die Hexen keine Hexen, sondern Vampire, ja, dann hätte man einfach einen spitzen Pflock und ein Kreuz nehmen können, und schon wäre der Spuk vorbei. Oder Werwölfe … ein paar Silberkugeln, und – peng! – hät te der Ärger ein Ende.
    Aber Hexen? Was, zum Teufel, unternahm man gegen Hexen?
    Nun, das Erste war wahrscheinlich, dass man beim Fluchen nicht mehr »zum Teufel« sagte. Wer wusste schon, was das unter diesen Umständen für Folgen haben konnte.
    Weil ihr nichts Besseres einfiel, beschloss Kyra, durchs Dorf zu laufen und nachzusehen, ob sie Tante Kassandra nicht doch noch irgendwo entdeckte. Dann würde sie zu Nils und Lisa gehen und mit ihnen einen Plan aushecken. Ja, das wäre wohl das Beste.
    Mit schnellen Schritten eilte sie in südlicher Richtung die Hauptstraße hinunter. Die Fachwerkhäuser Giebe l steins schienen sich über die Straße zu beugen, so, als tuschelten sie lautlos miteinander. Der Wind wehte ein Papierknäuel über das Pflaster. Ansonsten bewegte sich nichts. Die enttäuschten Kirchgänger waren bereits in ihren Häusern verschwunden. Kyra war ganz allein.
     
    Das Hotel Erkerhof, in dem Nils und Lisa mit ihren Eltern lebten, befand sich außerhalb der Ortschaft. Weil es so groß und düster war, nannten die Kinder es immer nur Kerkerhof. Man musste Giebelstein durch das Südtor verlassen, ein Stück der Straße folgen und dann nach rechts in einen asphaltierten Seitenweg einbiegen. Das Hotel thronte abgelegen am Fuß der südlichen Hügel. Gleich dahinter wellte sich finsteres Waldland.
    Doch so weit kam Kyra nicht. Noch bevor sie die Stadt verlassen konnte, bemerkte sie etwas Sonderbares.
    Auf dem Dach eines Fachwerkhauses, kurz vor dem Ortsausgang, saß ein Junge und angelte.
    Kyra blieb stehen und traute ihren Augen kaum. Der Junge hatte schwarzes Haar und trug schwarze Kleidung, so, als käme er gerade von einer Beerdigung. Allerdings wirkte er nicht traurig. Ganz im Gegenteil: Er lächelte ihr sogar zu, als er sie bemerkte.
    Der Junge saß breitbeinig am Rande des Dachfirstes, ein Bein auf dieser Seite des Hauses, eines auf der anderen. Er saß gleich am vorderen Giebel und hielt mit beiden Händen eine lange Angelrute. Die Angelsehne reichte hinab bis in den ersten Stock, der Haken baumelte vor einem kleinen, offenen Fenster.
    Kyra fand, dass der Junge ziemlich leichtsinnig war, so nah am Abgrund zu sitzen, ohne sich festzuhalten. Ein kräftiger Windstoß mochte ihn leicht in die Tiefe befördern. Zwischen dem Dachgiebel, auf dem der Junge saß, und dem Straßenpflaster lagen gut und gern zwölf Meter. Das reichte aus, um sich jeden Knochen zweimal zu brechen.
    »He, du!«, rief Kyra zu ihm hinauf. »Was

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