Sieben Siegel 08 - Teuflisches Halloween
und umrundete das Mädchen von der anderen Seite. Mara konnte nicht verhindern, dass er hinter sie trat und sich umschaute.
Sie wirbelte herum wie ein aus der Bahn geworfener Kreisel, stolperte einen Schritt auf Chris zu und riss ihn blitzschnell am Arm zurück. »Vorsicht!«
Chris blieb irritiert stehen.
»Bleibt genau da, wo ihr seid«, kommandierte Mara. »Alle drei.«
Nils glaubte, sie wollte ihnen drohen, deshalb sagte er: »Und was sonst? Verprügelst du uns alle mit deiner Lampe?«
Wieder tat Mara, als existiere er überhaupt nicht.
Stattdessen schob sie Chris vorsichtig zurück und beugte sich über etwas am Boden – genau an der Stelle, auf die Chris beim nächsten Schritt seinen Fuß gesetzt hätte.
»Was ist da unten?«, fragte Nils und versuchte, einen Blick über Maras Schulter zu erhaschen. Ihr langes Haar, das ihr offen über den Rücken fiel, schimmerte golden im Licht seiner Taschenlampe.
Chris ging neben ihr in die Knie. »Die ist echt, oder?«
Mara nickte.
Nils wurde immer ungeduldiger. » Was ist echt?«
Mara seufzte und rückte zaghaft ein wenig zur Seite, blieb dabei aber in der Hocke und hielt beide Hände schützend um etwas vor ihren Füßen.
Nils und Kyra beugten sich vor.
»Was für eine Pflanze ist das?«, fragte Kyra, als sie sah, dass zwischen Maras Händen ein zartes Gewächs emporwuchs. Es hatte mehrere Blätter, breite Ovale mit stumpfen Kanten. Sie hatte diese Blattform schon einmal irgendwo gesehen.
»Und was ist so Besonderes daran?«, murrte Nils unbeeindruckt.
Mara schaute blitzschnell zu ihm auf. Ihr Blick war kalt und dunkel. »Du weiß nichts, kleiner Junge. Gar nichts.«
»Ist das sowas wie Hanf?«, fragte Chris.
»Quatsch.« Mara strich unendlich zärtlich mit einer Fingerspitze über eines der Blätter. Langsam richtete sie sich auf, das kleine Gewächs immer noch in ihrer Hand. Erst jetzt sahen die Freunde, dass es in einen gewöhnlichen Blumentopf eingepflanzt war.
Mara schaute von einem zum anderen.
»Könnt ihr ein Geheimnis für euch behalten?«
Nils musterte sie argwöhnisch. »Du kannst uns nicht leiden. Warum willst du ausgerechnet uns ein Geheimnis anvertrauen?«
»Weil sie keine andere Wahl hat«, erwiderte Kyra an Maras Stelle.
Mara sah Kyra kurz an, dann nickte sie. »Ihr erzählt keinem davon, ja?«
»Okay«, sagte Chris. Auch Kyra und Nils nickten.
»Das hier«, erklärte Mara mit Verschwörermiene, »ist eine Alraune.«
Einen Moment lang schwiegen sie alle. Dann fragte Nils: »Und was soll das sein?«
Wieder war es Kyra, die seine Frage beantwortete: »Eine Hexenpflanze.«
»Na, toll«, stöhnte Nils. »Genau das, was wir brauchen.« Er trat aufgeregt auf der Stelle. »Hör mal, Kyra, wir haben jetzt keine Zeit für ’ne Biologiestunde. Wir müssen Lisa finden.«
Chris stimmte ihm zu. »Wir verschwenden hier nur Zeit.«
Kyra schaute Mara über die Alraunenpflanze hinweg tief in die Augen. »Da wäre ich mir nicht so sicher.«
Mara hielt ihrem Blick stand. Sie fühlte sich ertappt – bei was auch immer –, aber sie hatte keinesfalls vor, sich zu entschuldigen. Oder auch nur klein beizugeben.
Aber auch Kyra ließ nicht locker. »Das ist doch die einzige echte Pflanze hier im Hexengarten, nicht wahr?«
Mara nickte stumm.
»Warum hast du sie hier eingepflanzt?«
»Ist doch meine Sache.«
»Nein. Jetzt nicht mehr.«
Eine Spur von Überraschung lag in Maras Blick, als sie sagte: »Wie meinst du das?«
Doch Kyra dachte nicht daran, ihre Gedanken laut auszusprechen. Sie fragte weiter: »Gibt es noch mehr davon in der Schule?«
»Ich wüsste nicht, was –«
Kyra fiel ihr ins Wort. » Gibt es noch mehr?«, wiederholte sie mit Nachdruck.
»In jedem Stockwerk eine. Insgesamt vier.«
Die beiden Jungen blickten irritiert von Mara zu Kyra. Beide verstanden nicht, auf was Kyra hinauswollte – und welche Rolle Mara in dieser ganzen Sache spielte. Dennoch war es nicht zu übersehen, dass Kyra einer Spur folgte. Sie hatte schon in früheren Abenteuern bewiesen, dass sie die Witterung des Bösen schneller aufnahm als jeder ihrer Freunde. Sie trug das Erbe ihrer Mutter in sich, einer Hexe, die zugleich eine erbitterte Kämpferin gegen alle Geschöpfe der Finsternis gewesen war.
Kyra streckte eine Hand nach der Alraune aus, sehr vorsichtig, und Mara ließ zu, dass sie eines der Blätter berührte. Niemals hätte sie erlaubt, dass Nils oder Chris so nah an das Gewächs herankamen. Doch Mara schien zu spüren, dass Kyra anders war als
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