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Sieben Siegel 08 - Teuflisches Halloween

Sieben Siegel 08 - Teuflisches Halloween

Titel: Sieben Siegel 08 - Teuflisches Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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einen Kräutergarten mit lebenden Pflanzen, deren Blütenmäuler Zähne entblößten und nach den Besuchern schnappten; und sogar eine Bibliothek mit Zauberbüchern, die unheimliche Schreie ausstießen, wenn man sie berührte.
    Rund zwanzig Schüler waren den Tag über im Einsatz gewesen, um hinter den Kulissen die einzelnen Schreckmomente zu aktivieren oder kostümiert aus Öffnungen und Klappen hervorzuspringen. Die Oberstufe hatte sich diesen Ort ausgedacht und in die Tat umgesetzt. Wochenlang hatten die Schüler in Freistunden, an Nachmittagen und sogar in Nächten gesägt, gemalt und geklebt, bis alles so war, wie sie es sich vorgestellt hatten.
    Um diese Uhrzeit lag das Hexenhaus freilich verlassen da. Keine Lichteffekte, keine Gruselgeräusche vom Tonband. Das machte es fast noch schauriger.
    Und dennoch – in den Schächten und schmalen Gängen würden sie sich vor ihrem Gegner verstecken können. Zumindest lange genug, um klare Köpfe zu bekommen und ihr weiteres Vorgehen zu planen.
    »Ich glaube, ich weiß ’nen Weg in den hinteren Teil«, sagte Nils und lief voraus, vorbei an dem gewaltigen Hexenkessel und einer Versammlung ausgestopfter Raben auf dem Querbalken eines umgedrehten Kreuzes.
    Die anderen folgten ihm, kletterten eine Treppe mit schiefen, knarrenden Stufen hinauf und schoben sich nacheinander in eine dunkle Gangmündung, gerade hoch genug, dass ein Jugendlicher gebückt gehen konnte.
    Lisa bildete den Abschluss der Gruppe. Was, wenn er die ganze Attrappe einfach in Flammen aufgehen lässt?, schoss es ihr durch den Kopf. Aber sie verdrängte den Gedanken hastig. Keine Zeit, sich mehr Sorgen als nötig zu machen. Und wer wusste schon, ob er sie überhaupt töten wollte? Vielleicht hatte ihr Gegner etwas ganz anderes mit ihnen vor.
    »Und was, wenn er uns findet?«, fragte sie laut. Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als sich plötzlich unter ihren Füßen eine Falltür auftat. Mit einem spitzen Aufschrei versank Lisa im Boden, wurde aufgesogen von Dunkelheit und dem Geruch frischer Farbe.
    » Lisa! « Chris, der vor ihr gegangen war, wirbelte noch herum und wollte sie packen, doch seine Hände griffen ins Leere. Lisa war in der Öffnung verschwunden.
    Lisa hörte die Stimmen der anderen über sich, als sie auf kaltem Stein zum liegen kam. Sie musste sich in der unteren Ebene des Hexenhauses befinden – die Konstruktion war auf dem Kachelboden des Saales errichtet worden. Man hatte darauf verzichtet, einen eigenen Untergrund aus Sand oder Holz anzulegen, wie es in einigen der kleineren Räume geschehen war. Der Bau des Hexenhauses hatte auch so schon genug Geld und Mühe verschlungen.
    »Nix passiert«, rief sie nach oben. Über ihr, in der dunklen Decke, leuchtete zuckend das Viereck der Falltür auf, als die Lichtkegel der beiden Taschenlampen darüber hinwegstreiften.
    Lisa hatte kaum zu Ende gesprochen, als sich die Falltür schloss. Krachend fiel sie zu, wie von Geisterhand.
    »Lisa«, erklang es dumpf durch das Holz. »Lisa, sag irgendwas.« Jemand rüttelte vergeblich an der Falltür. »Warte, wir holen dich!«
    Um Lisa war völlige Schwärze. Mit den Fingern ihrer Rechten ertastete sie neben sich eine der Kulissenwände. Als sie prüfend über die raue Oberfläche der Sperrholzplatte fuhr, bohrte sich prompt ein Splitter in ihren Zeigefinger.
    Fluchend zog sie die Hand zurück. Als sie die Fingerspitze mit der Zunge berührte, schmeckte sie Blut.
    »Hört ihr mich?«, rief sie in die Finsternis.
    Über sich vernahm sie trampelnde Schritte auf den Holzböden der oberen Ebene. Lisas Ruf ging in dem lautstarken Poltern unter. Sicher suchten die anderen einen Weg, um zu ihr zu gelangen.
    Lisa rappelte sich auf. Ein wenig schwankend stand sie da, zögerte jedoch, sich an der splitternden Holzwand abzustützen. Der Schreck durch den Sturz war ihr in alle Glieder gefahren. Ihr war kalt, und sie zitterte.
    »Hallo?«, fragte sie zaghaft. »Hört mich jemand?«
    Schweigen.
    Das Poltern entfernte sich, klang jetzt gedämpft wie durch Watte.
    »Hallo?«
    Keine Antwort. Die Schritte der anderen verstummten.
    »Chris? Kyra? Nils? Hört mich jemand?«
    Es hatte keinen Sinn. Niemand hörte sie. Niemand war da.
    Lisa war allein.
    Vor ihr in der Schwärze glühten zwei goldfarbene Punkte auf. Ein Augenpaar.
    »Ungezogene Lisa«, flüsterte eine Stimme.
    Nur Augen, zwei flackernde Glutfunken im Dunkel.
    »Du hättest besser auf deine Füße Acht geben sollen, statt den Jungen vor dir anzustarren …

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