Sieben Tage für die Ewigkeit - Roman
Straße. Schweigend fuhr Lukas durch den feinen Herbstregen. Zofia sah aus dem Fenster, suchte am Himmel Antworten auf die Fragen, die sie sich stellte.
»Seit wann wissen Sie es?«, fragte sie nach einer Weile.
»Seit einigen Tagen«, erwiderte Lukas verlegen und rieb sich das Kinn.
»Das wird ja immer besser! Und die ganze Zeit über haben Sie nichts gesagt!«
»Sie haben auch nichts gesagt.«
»Ich kann nicht lügen!«
»Und ich bin nicht programmiert, die Wahrheit zu sagen!«
»Wie soll ich da nicht annehmen, dass Sie alles raffiniert eingefädelt und mich von Anfang an manipuliert haben?«
»Weil Sie sich damit selbst unterschätzen würden. Außerdem könnte es auch das Gegenteil sein, alle Gegensätze sind möglich. Die augenblickliche Situation scheint mir recht zu geben.«
»Welche Situation?«
»Diese eigenartige und bedrängende Sanftheit. Sie und ich in diesem Wagen, und wir wissen nicht wohin.«
»Was haben Sie vor?«, fragte Zofia, den Blick auf die Passanten gerichtet, die über den feuchten Bürgersteig eilten.
»Keine Ahnung. Mit Ihnen zusammen sein.«
»Hören Sie auf damit!«
Lukas bremste, der Wagen rutschte auf dem nassen Asphalt und kam vor der Ampel zum Stehen.
»Sie haben mir die ganze Nacht und den ganzen Tag über gefehlt. Aus Sehnsucht nach Ihnen bin ich noch einmal am Strand von Sausalito spazieren gegangen, aber dort haben Sie mir auch gefehlt; Sie haben mir gefehlt, und das war ein angenehm süßes Gefühl.«
»Sie kennen den Sinn dieser Worte nicht.«
»Ich kannte nur ihr Antonym.«
»Hör auf, mir den Hof zu machen!«
»Ich habe davon geträumt, dass wir uns endlich duzen!«
Zofia antwortete nicht. Die Ampel sprang auf Gelb und auf Grün, dann wieder auf Gelb und auf Rot. Die Scheibenwischer, die den Regen vertrieben, gaben der Stille einen Rhythmus.
»Außerdem mache ich Ihnen gar nicht den Hof.«
»Ich habe nicht gesagt, dass Sie darin schlecht sind«, meinte Zofia und schüttelte energisch den Kopf. »Ich habe nur gesagt, dass Sie es tun, und das ist ein gewaltiger Unterschied!«
»Darf ich also weitermachen?«, fragte Lukas.
»Die Wagen hinter uns geben uns Zeichen mit der
Lichthupe.«
»Sie sollen warten, schließlich ist es Rot!«
»Ja, zum dritten Mal!«
»Ich verstehe nicht, was mit mir los ist, ich verstehe übrigens sowieso nicht mehr viel. Aber ich weiß, dass ich mich in Ihrer Nähe wohl fühle und dass auch ›wohl fühlen‹ bislang nicht zu meinem Wortschatz gehörte.«
»Es ist etwas früh, um so etwas zu sagen.«
»Weil es noch dazu besondere Augenblicke gibt, um die Wahrheit zu sagen?«
»Genau so ist es!«
»Na, da brauche ich wirklich Hilfe. Aufrichtigkeit scheint noch schwieriger zu sein, als ich dachte!«
»Ja, es ist schwer, aufrichtig zu sein, Lukas, viel schwerer, als Sie es sich vorstellen können. Es ist oft undankbar und ungerecht, aber es nicht zu sein, bedeutet, zu sehen und trotzdem so zu tun, als wäre man blind. Es ist sehr schwierig, Ihnen all das zu erklären. Wir sind sehr verschieden, wirklich zu verschieden.«
»Wir ergänzen uns«, meinte er hoffnungsvoll, »da bin ich ganz Ihrer Meinung!«
»Nein, wir sind vollkommen verschieden!«
»Solche Worte aus Ihrem Mund … Ich glaubte, dass …«
»Sie glauben jetzt also?«
»Seien Sie nicht boshaft, ich glaubte auf jeden Fall, dass Unterschiede … Aber ich muss mich geirrt haben, oder besser gesagt, ich hatte Recht, was paradoxerweise äußerst bedauerlich ist.«
Lukas stieg aus und ließ die Tür weit geöffnet. Als Zofia ihm nachlief, schwoll das Hupkonzert hinter ihnen an. Sie rief ihn, aber er hörte sie nicht, denn es regnete jetzt immer heftiger. Schließlich holte sie ihn ein und packte ihn beim Arm; er drehte sich zu ihr um. Die nassen Haare hingen ihr ins Gesicht, er strich vorsichtig eine rebellische Strähne aus ihrem Mundwinkel, doch sie stieß ihn zurück.
»Unsere Welten haben nichts gemein, unsere Überzeugungen sind einander fremd, unsere Hoffnungen sind entgegengesetzt, unsere Kulturen so weit voneinander entfernt … Wohin sollen wir gehen, wenn uns alles unterscheidet, wenn wir so gegensätzlich sind?«
»Sie haben Angst!«, sagte er. »Genau das ist es, Sie sind starr vor Angst. Sie sind es, der nicht sehen will, Sie, die Sie von Blindheit und Aufrichtigkeit gesprochen haben. Sie predigen das rechte Wort, aber ohne Taten ist es nichts wert. Richten Sie mich nicht! Ich bin zwar Ihr Gegensatz, Ihr Gegenpol, aber auch Ihr Gegenstück, Ihr
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