Sieben Tage: Thriller (German Edition)
im Dunkeln, wie blind.
Der Attentäter machte alles noch schlimmer. Griessel quälte diese himmelschreiende Ungerechtigkeit, die seinen Hass weiter schürte.
Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er den Rat der Rechtspsychologin in den Wind geschlagen und diesem Stück Dreck zurückgeschrieben: »Du Feigling, du spielst Spielchen, du lügst, du versteckst dich hinter anonymen E-Mails undrätselhaften Fotos, schleichst in einem Scheiß-Kia herum und schießt auf Polizisten, die nur ihre undankbare Arbeit tun wollen. Bloß weil dir Kommunisten nicht passen und du irgendetwas über den Tod von Hanneke Sloet weißt. Du hältst dich für einen großen Helden, hast aber nicht die Eier in der Hose, uns ins Gesicht zu sagen, wer Sloet deiner Meinung nach getötet hat. Und warum? Weil du ein krankes Arschloch bist, das sich für den Messias hält und sich im Licht der Öffentlichkeit sonnt. Aber ich sage dir: Du bist ein Nichts, ein Lahmarsch, ein Hosenscheißer, ein absoluter, vollkommener Versager, und ich werde dich für eine Ewigkeit in den schlimmsten Knast zwischen den hinterletzten Abschaum stecken, unter Knackis, die dich so fertigmachen werden, dass du wünschtest, du hättest dir mit deinem kleinen Schwulengewehr das Hirn durch deine Affenperücke geblasen.«
Seine Wut machte ihn so rasend, dass er kurz davor stand, aufzustehen, seinen Laptop hochzufahren, den er damals auf einer Polizeiversteigerung erstanden hatte, den Text reinzuhacken und die E-Mail abzuschicken. Dann fragte er sich, was ihn an der Geschichte eigentlich so sehr plagte.
Dabei wusste er das ganz genau.
Er seufzte, schob das Kissen zurecht und drehte sich auf die Seite.
Es lag daran, dass er Alexa gestern Abend von seinem Arbeitstag erzählt hatte.
Das hatte er noch nie zuvor getan. Seiner Frau Anna gegenüber hatte er sich nie geöffnet. Verzweifelt hatte er versucht, Mord und Totschlag von ihr und den Kindern fernzuhalten und sich einen Ort zu bewahren, der rein und unbesudelt war.
Zugleich wurde ihm nun bewusst, dass seine Offenheit gestern Abend wie eine Art Ventil gewirkt hatte, durch das er seine Erlebnisse und Frustrationen herauslassen konnte. Zum ersten Mal hatte er verstanden, was Doc Barkhuizen mit dem Ratschlag gemeint hatte, er solle die Belastungen seiner Arbeit nicht so in sich hineinfressen.
Und eine weitere bedrückende Erkenntnis hatte er durch sein Gespräch mit Alexa gewonnen: Wie anders sein Leben hätte verlaufen können, wenn er sich nicht von Anfang an wie einTaubstummer verschlossen hätte. Den ganzen Tag über hatte er den Gedanken verdrängt, doch jetzt musste er sich eingestehen: Anna hätte ihm zugehört. Anna hätte mit ihm gefühlt und ihn verstanden, wenn er abends nach Hause gekommen wäre und ihr alles erzählt hätte: vom Tod und welche Angst er ihm einjagte. Von dem Blut, dem Geruch, den leblosen, hilflosen Leichen der Kinder, Frauen und Alten und dem Wissen, was Menschen ihren Mitmenschen antun konnten. Von dem Druck und dem Stress: zu wenig Geld, zu viele Überstunden, der Erwartungshaltung der Angehörigen der Opfer, der Vorgesetzten. Und obendrein noch von dem Hohn und den Vorwürfen seitens der Öffentlichkeit und der Medien.
Wenn er all das mit Anna geteilt hätte, wäre er sehr wahrscheinlich nicht zum Alkoholiker geworden, Anna hätte ihn nicht verlassen, und er hätte sich heute Abend im Ehebett an ihren Rücken schmiegen können, anstatt mit dem Frust und dem Hass zu ringen.
Und er hatte gedacht, er sei über die Scheidung hinweg.
Das Leben an sich war nicht einfach, und im Nachhinein war man immer schlauer. Seine hypothetischen Argumentationen nützten rein gar nichts, vor allem heute nicht, wo er die Nase ohnehin gestrichen voll hatte.
Als sie nach der Konferenzschaltung mit der Profilerin Ilse Brody in Manies Büro zusammengesessen hatten, hatte ihnen Cloete Kommentare aus dem Internet vorgelesen. Reaktionen auf Nachrichten über den Attentäter, Twitter- und Facebookmeldungen. Die Kollegen und er hatten voller Verbitterung die schreiende Ungerechtigkeit über sich ergehen lassen, denn alles, was sie ernteten, war blanker Hohn.
So sah also die Arbeit bei den Valke aus: bedeutende Fälle, ständig im Blickpunkt der Öffentlichkeit, Stress pur. Und was war der Dank? Die SAPD konnte tun, was sie wollte: einen Fall nach dem anderen lösen, die Kriminalitätsrate langsam, aber stetig nach unten drücken, doch dass ihnen mal Dank oder Respekt dafür gezollt wurde, würde er wohl niemals
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