Sieben Tage: Thriller (German Edition)
sich nicht sicher, aus welcher Richtung der Schuss gekommen ist, vielleicht von den Tennisplätzen her. Wir befragen derzeit die Spieler, aber bisher hat keiner etwas gesehen oder gehört.«
»Wurde ihm auch ins Bein geschossen?«
»In den Knöchel. Aber erst mit dem zweiten Schuss. Der erste prallte an der Eingangstür ab. Wir suchen also nach zwei Kugeln. Das könnte hilfreich sein.«
»Der erste Schuss ging also daneben.«
»Genau.«
Griessel saß auf einem Hocker an seiner Küchentheke und aß ohne rechten Appetit das Hühnchen direkt aus der Verpackung. Dabei starrte er sein Mountainbike an, das bereits seit zwei Wochen unbenutzt herumstand. Morgens hatte er einfach keine Zeit mehr zum Trainieren. Er musste früher aufstehen, weil ersich auf dem Weg nach Bellville zur DPMO durch dichten Verkehr kämpfen musste. Wenn bloß endlich diese verdammten Brücken auf der N5 fertig würden! Doch jetzt, nachdem die Fußballweltmeisterschaft vorbei war, ruhten die Bauarbeiten wieder.
Er hätte sich eine Wohnung in den nördlichen Vorstädten suchen können. Doch das wollte er nicht. Lieber blieb er am Fuße des Berges wohnen, in der Nähe der Stadt und des Tuine-Einkaufszentrums. Außerdem brauchte er die Distanz zu Anna und den Geistern der Vergangenheit. Bellville steckte voller Versuchungen, den alten Kneipen, den alten Saufkumpanen …
Andererseits kam er hier nicht mehr zum Radfahren.
Warum musste alles so kompliziert sein?
Er warf die Essensverpackung in den Mülleimer, spülte die Gabel ab und schlug erneut die Akte auf. Zerstreut blätterte er darin herum, ein wenig lustlos, weil er nicht wusste, in welche Richtung er suchen sollte.
Er stand auf und legte sich aufs Sofa, die Hände über der Brust gefaltet. Der Schlafmangel machte ihm zu schaffen. Vielleicht brauchte er nur mal ein kurzes Nickerchen, um wieder auf klare Gedanken zu kommen.
Du musst Gas geben. Dieser durchgeknallte Irre wird auf Polizisten schießen, bis du den Fall gelöst hast. Afrikas prophetische Worte.
Griessel versuchte sich zu konzentrieren. Ein vorsätzlicher Mord. Begangen von jemandem, den sie gekannt hatte.
Der Hausmeister war es nicht gewesen.
Kein anderer Verdächtiger. Kein Motiv.
Hinzu kam, dass er im Grunde nichts über Hanneke Sloet wusste.
Seufzend stand er auf, öffnete wieder die Akte und setzte sich damit an die Frühstückstheke. Noch einmal las er die Aussagen von Meneer Hannes Pruis, dem Direktor von Silberstein Lamarque, und Gabriélle (Gabby) Villette, Sloets persönlicher Assistentin. Sie enthielten detaillierte Informationen über den Vormittag, an dem die Leiche gefunden wurde sowie eine ausführliche Beschreibung von Sloets beruflichen Tätigkeiten, aber im Grunde nichts über sie persönlich.
Griessel suchte drei Telefonnummern heraus und schrieb sie in sein Notizbuch.
Gabriélle Villette lebte allein in einem kleinen Stadthaus hinter dem Avenues-Komplex in Seepunt, abseits vom Lärm der Hochstraße. Sie war barfuß, klein und grazil wie ein Kind. Ein schmales Gesicht unter kurzen blonden Haaren. Er schätzte sie knapp über dreißig. Ihr Mund bildete einen strengen Strich, daher überraschte ihn ihre Herzlichkeit. Er entschuldigte sich für den kurzfristigen Besuch um die Mittagszeit. Sie antwortete, sie schlafe tagsüber nicht, er könne ruhig reinkommen. Beim Lächeln entblößte sie auffällige Eckzähne, so dass sie einem Vampir ähnelte. »Ich habe heute Morgen den Bericht in der Zeitung gelesen.«
Das Wohnzimmer war in fröhlichem Blaugelb gehalten. An der Wand hing eine Reihe gerahmter Farbfotos, die Früchte zeigten, Nahaufnahmen leuchtend grüner Trauben, eines roten Apfels, einer gelben Birne und eines Emaileimers, gefüllt mit zart orangefarbenen Aprikosen. Sie bemerkte, dass er die Bilder betrachtete, und erklärte: »Das ist mein Hobby.« Mehr nicht, und Griessel fragte sich, ob sie das Obst oder die Fotografie meinte. Sie bat ihn, Platz zu nehmen, und machte es sich auf dem hellblauen Sofa bequem. Ihre Augen waren von beinahe demselben Graublau wie der Bezug.
Griessel ließ sich in einem hellgelben Sessel nieder und zückte sein Notizbuch. Sie schlug die Beine übereinander und sah ihn abwartend an.
»Ich versuche eine Vorstellung davon zu gewinnen, wer Hanneke Sloet eigentlich war«, begann er.
Sie nickte langsam und nachdenklich, den Blick auf das Durcheinander von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen auf dem Tisch geheftet. »Das Gleiche habe ich drei Jahre lang versucht«,
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