Siebenpfahl (German Edition)
Situation genutzt, das Buch aufzuschlagen und hastig
darin zu lesen. » Lege das Buch sofort zurück! Sonst wird es deinem Vater
noch schlechter ergehen! «, hatte der Wächter verärgert gerufen. Im
nächsten Moment hatte ihn bereits ein weiterer Stein getroffen. Schnell hatte er
das Buch zurückgelegt, doch hatte er sich die Zutaten zur Herstellung einer Flüssigkeit
merken können, von der er damals noch nicht gewusst hatte, für was sie von
Nutzen war. So hatte er mit seinem geschundenen Vater die Höhle
verlassen. Einen Tag später wurde dieser von Wachen abgeführt. Der Bischof ließ
ihn wegen Ketzerei in den Kerker sperren, in dem er ein halbes Jahr später starb.
Nur einmal, kurz vor seinem Tod, hatte er ihn besuchen dürfen. Er saß auf der
Burg in einem dunklen Gewölbe, das zudem nass und kalt war. Als er seinen Vater
damals gesehen hatte, war er erschrocken gewesen. Er hatte einen Mann vor sich
gehabt, der dem Tod bereits ins Auge blickte. Das Letzte, was er seinem Vater
gegeben hatte, war das Versprechen, das Buch aus der Höhle zu holen und ihn
durch einen Zeitsprung wieder zum Leben zu erwecken. Dann hatte er seinen Vater
verlassen, besessen davon, sein Versprechen einzulösen.
Nun war sein Traum fast in Erfüllung gegangen. Als er vor fünfhundert
Jahren in diesem Turm das Pulver der Zeit zusammengemischt hatte und somit in
der Lage gewesen war, die für den Zeitsprung notwendige Flüssigkeit
herzustellen, wünschte er sich, genau an dieser Stelle sein Leben fortsetzen zu
können. Er wollte in diese Zeit, nicht in die, in der er als elfjähriger Junge gelebt
hatte. Zumindest jetzt noch nicht. Sein Vater konnte sich noch etwas gedulden …
bis zum nächsten Zeitsprung. Siebenpfahl hatte sein jetziges Alter bevorzugt,
wollte nicht für die Ewigkeit als Elfjähriger dahinlümmeln. Damals hatte er
sich an bestimmte Regeln halten müssen, auch heute noch … doch schon bald, so
hoffte er, würde er sie ignorieren können und der mächtigste aller Magier sein.
Der Kreis der Magier hatte seine eigenen Regeln, die von keinem gebrochen werden
durften. So war er gezwungen gewesen, so lange zu warten, bis einer seiner
Nachfahren, knapp fünfhundert Jahre später, die Sachen im Brunnen finden würde.
Er hatte damals, als er sie darin versteckte, gehofft, dass sie nicht verloren
gingen und hatte eigens dafür dem Kellergewölbe einen magischen Fluch auferlegt.
Niemand hatte den wertvollen Inhalt vor Ablauf der fünfhundert Jahre entdecken sollen.
Es hatte funktioniert, denn nun war er hier und sah hinaus in eine Welt, von
der er sicher war, sie nie mehr verlassen zu müssen. Alle Menschen, die nach
dieser Nacht geboren wurden, würde es niemals geben. Niemand würde mehr altern –
und sterben konnte nur noch der, der getötet wurde! Doch um dies endgültig und
für alle Ewigkeit zu besiegeln, musste er das Buch der Zauberpulver finden und
die Aufgaben erfüllen, die ihm der Kreis der Magier auferlegen würde. Erst dann
wäre sein Ziel erreicht.
Als unten im Turm die Tür zuschlug, wurde er aus seinen Gedanken
gerissen. Er ging zur Treppe und stieg hinab.
*
K rummhold und Johann begaben sich zurück in den Turm, wobei Johann die
Tür aus der Hand glitt und schwer ins Schloss fiel. Der laute Knall war im
ganzen Turm zu hören. »Willst du, dass alles einstürzt?«, mahnte Krummhold und blickte
mit ernster Miene drein. Er ärgerte sich über Johanns Ungeschicktheit, die
dieser manchmal an den Tag legte.
Johann runzelte die Stirn und setzte sich, wie Krummhold auch. Beide
blickten sich an, als sie von der Treppe her plötzlich eine Stimme vernahmen. »Seid
gegrüßt, meine Retter«, rief sie.
Überrascht drehten sie sich um. Am Treppenaufgang stand ein Mann.
Sein Gesicht war von tiefen Furchen durchzogen, sein Haar lang und weiß. Doch
das Besondere an ihm waren seine Augen. Sie wirkten finster und hinterhältig – beängstigend
fast. Er trug ein langes weißes Gewand, das aufwendig hergestellt zu sein
schien, denn es war mit Mustern in allen möglichen Farben bestickt. Ein Strick
umgab seine Taille.
Krummhold und Johann erhoben sich, und während Krummhold sichtlich
nervös war, war bei Johann keinerlei Regung festzustellen. Krummhold kratzte
sich verlegen am Kinn, denn er kannte das Gesicht … es war das Gesicht, welches
ihm in dem Stein erschienen war, den er im Brunnen seines Kellers gefunden
hatte.
Siebenpfahl war langsam auf sie zugekommen und stand nun direkt
vor ihnen. Einen Moment lang
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