Siebenpfahl (German Edition)
ruhte sein Blick auf Johann, dann wandte er sich Krummhold
zu. »Wie ich sehe, hast du ihm das Pulver gegeben, welches ich eigens beigelegt
hatte.«
»So ist es«, antwortete Krummhold.
»Das ist gut! Er wird unsere Anweisungen nun ohne jede Widerrede
befolgen. Achte jedoch darauf, dass er das Pulver täglich zur selben Zeit
bekommt, sonst könnte er womöglich seinen eigenen Willen entfalten und unsere
Pläne gefährden!«
»Ich werde deinen Rat befolgen.« Krummhold steckte den Beutel
zurück unter sein Gewand, hantierte dabei jedoch etwas umständlich … so nervös
war er.
Siebenpfahl befahl Johann, auf einem der Stühle Platz zu nehmen
und zu warten, bis er und Krummhold wieder zurückkommen würden. Dann bat er Krummhold,
ihm nach oben, ins oberste der Burgzimmer, zu folgen.
Siebenpfahl ließ sich in seinem Sessel nieder und wartete, bis auch
Krummhold sich gesetzt hatte. Dann sprach er mit eindringlicher Stimme: »Du
bist ein Nachfahre meiner Sippe und stehst unter meinem Schutz. Dafür, dass du mir
die Möglichkeit gegeben hast, mein Leben an dieser Stelle weiterführen zu können,
werde ich dich fürstlich belohnen. Vergiss jedoch niemals, dass du meine Anweisungen
zu befolgen hast!«
Als Krummhold in Siebenpfahls Augen blickte, lief ihm ein Schauder
über den Rücken. Er konnte erahnen, was passieren würde, sollte er sich nicht an
dessen Anweisungen halten.
*
M argret hatte den Jungen Kleidung besorgt, und Irmel, die ihnen
beim Umziehen zugeschaut hatte, grinste verstohlen. »Nun seht ihr wenigstens
wie normale Menschen aus«, meinte sie.
»Ach … so sehen also normale Menschen aus?«, fragte André
belustigt.
»Ja, genau so sehen die aus!«
Margret schmunzelte, unterzog die Jungen einer Endbemusterung und stellte
zufrieden fest: »In den Kleidern seht ihr wirklich toll aus, und ich denke,
dass euch die jungen Fräuleins in der Stadt zu Füßen liegen werden.«
Alle lachten. Doch André hatte noch etwas hinzuzufügen, was bezeichnend
für ihn war. »Besonders mir natürlich«, sagte er und ignorierte dabei die
ungläubigen Blicke der anderen. An Selbstbewusstsein hatte es ihm noch nie gefehlt.
Die Tür öffnete sich und Conrad trat herein. Nachdem er sie hinter
sich geschlossen hatte, drehte er sich gemächlich um und schaute in die Runde,
ohne ein Wort zu sagen.
Alle blickten ihn erwartungsvoll an, gespannt darauf, was er zu berichten
hatte. »Erzähl schon!«, drängte Margret ungeduldig.
Conrad verzog das Gesicht. »Ich bin auf der Burg umhergegangen und
habe einigen Leuten erzählt, dass wir im Wald sechs Jungen aufgelesen haben.
Ihr Dorf, welches sehr weit weg zu liegen schien, sei überfallen worden. Sie
selbst konnten fliehen, weil sie außerhalb des Dorfes gespielt hatten. Was aus
ihren Familien geworden sei, wüssten sie nicht. Ich sagte auch, dass wir sie vorerst
bei uns aufnehmen würden.«
Margret nickte. »Das war eine sehr gute Idee. So gibt es für die
Leute wenigstens einen glaubwürdigen Grund, weshalb die Jungen bei uns sind.«
Auch wenn Margret und Conrad darin einen Erfolg sahen, so merkte
man den sechs Freunden deutlich an, dass ihre Gedanken ganz woanders waren. »Wo
sind eigentlich unsere Familien?«, fragte André, Marcel zugewandt.
»Wenn ich das nur wüsste!«, gab der zurück.
Leon senkte den Kopf. »Wir werden sie bestimmt nie wiedersehen!«
Einen kurzen Moment herrschte betroffenes Schweigen. Conrad sah zum
Fenster hinaus und überlegte, den Blick dabei starr auf die gegenüberliegende
Gebäudewand gerichtet. »Wenn es möglich war, in unsere Zeit zu kommen, so muss
es auch eine Möglichkeit geben, wieder zurückzukehren«, mutmaßte er und drehte
sich zu den Jungen um. »Wir müssen nur herausfinden, wie!«
»Kann ich jetzt mal auf den Abort?«, brachte sich Tom mit
gequältem Gesicht in Erinnerung. Er hielt sich bereits den Bauch.
»Ach so, das hätte ich ja fast vergessen«, entschuldigte sich
Conrad. »Kommt mit.«
Sie gingen an einem Gebäude entlang und steuerten auf eine kleine
und schmale Tür zu, die sich in einem engen Gang, zwischen zwei Gebäuden, direkt
an der Außenmauer befand. Als Conrad die Tür öffnete, sahen sich die Jungen überrascht
an. In eine kleine Außennische war eine Holzbank hineingezimmert. Mitten auf
der Sitzfläche befand sich ein Loch.
»Was ist denn das für ein Ungetüm?«, zeigte sich Tom ablehnend. »Da
soll ich drauf?«
»Sei froh, dass wir es haben und du nicht in einen Holzeimer
machen musst«,
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