Siebenpfahl (German Edition)
auch noch ein Tag. Dann können wir uns an den Darbietungen der
Gaukler und Minnesänger erfreuen.«
»Wo arbeitet eigentlich Caspar?«, fragte André. »Ich würde gerne
mal sehen, was er so macht.«
»Am Stadttor in Richtung Kolmbach befindet sich die Werkstatt des
Wagners«, erklärte Margret lächelnd. Sie freute sich, dass André Interesse an
Caspars Arbeit zeigte. »Er ist sehr talentiert und hat schon einige gute Sachen
angefertigt. Kommt mit, ich führe euch hin.«
Die Werkstatt war nicht groß, dafür wirkte sie aufgeräumt und gemütlich.
Caspar stand an einem schweren massiven Tisch, auf dem ein Wagenrad lag. Mit
einem Werkzeug brachte er Verzierungen in den Speichen an. »Muss mich beeilen,
der Meister kommt gleich, da muss es fertig sein«, rief er ihnen zu und setzte
die nächste Kerbe ins Holz. Die Art und Weise, wie er das Werkzeug einsetzte
und führte, ließ sein außergewöhnliches Talent erkennen. Mit bewundernden
Blicken verfolgten die sechs Freunde all seine Bewegungen und konnten fast
nicht glauben, dass ein zehnjähriger Junge bereits ein solch handwerkliches
Geschick besaß. »Da staunt ihr wohl«, tönte plötzlich eine Stimme hinter ihnen,
die sie herumfahren ließ. Vor ihnen stand ein kräftiger und verwegen
aussehender Mann, der bestimmt hundertneunzig Zentimeter groß war. Sein Dreitagebart
war bereits ergraut, wogegen sein dichtes und kurz geschnittenes Haar fast
schwarz war. Stolz blickte er zu Caspar, der nun seine Arbeit beendet hatte. »Es
ist ein wahrer Segen, ihn zum Lehrling zu haben. Nie zuvor hatte ich einen
solch talentierten und guten Jungen bei mir. Gott hab Dank dafür.« Er deutete
ihnen mit einer Handbewegung an, mitzukommen. Dann ging er gebückt durch eine
niedrige, doch breite Holztür hindurch.
Als die Jungen ihm folgten, nickte ihnen Caspar zu und blickte
dann stolz zu seiner Mutter. Er wusste, dass sein Meister nun die Dinge
präsentieren würde, die er, Caspar, angefertigt hatte.
»Sagenhaft!«, meinte André. »So etwas könnte ich nie.« Er war
voller Begeisterung. Die Holzarbeiten in dem Regal an der Wand waren wahre
Kunstwerke.
»Schaut hier«, rief der Meister und deutete auf die Miniaturausgabe
einer Kutsche. »Das hier ist ein Spielzeug für Kinder reicher Leute. Ein richtiges
Schmuckstück … und eigentlich viel zu schade, als dass man es verkaufen würde.«
Die Kutsche war tatsächlich ein Traum. Sie sah aus wie eine echte,
nur eben viel kleiner. Die Freunde waren von Caspars Fertigkeiten so fasziniert,
dass sie mit dem Schwärmen gar nicht mehr aufhören konnten. Caspar, der
mittlerweile in den Türrahmen getreten war, warf seiner Mutter einen freudigen
Blick zu, worauf sie ihm aufmunternd zunickte. Sie war stolz auf ihren Sohn und
freute sich mit ihm über das Lob, das ihm zuteilwurde. Doch nun war es an der
Zeit, sich auf den Nachhauseweg zu begeben.
Auf der Burg angekommen, trennten sich die Jungen von Margret,
denn die musste Irmel abholen. Margret hatte sie zu ihrer Freundin Elisabeth gebracht,
um sich auf dem Markt besser um die Jungen kümmern zu können. Die gingen jetzt
zur Unterkunft voraus, da sie ziemlich geschafft waren.
»Wie war euer Ausflug zum Markt?«, fragte Conrad, als sie zur Tür
hereinkamen.
Marcel runzelte die Stirn. »Ich hätte es nie für möglich gehalten,
die Burgstraße einmal im Mittelalter zu durchlaufen. Es war schon ein seltsames
Gefühl! Nur Tom fand es nicht so toll.«
»Mir war es etwas langweilig«, jammerte der. »Wenn man selbst kein
Geld oder Tauschwaren besitzt, wie soll man dann auf einem Markt handeln?!« Toms
Frust war unverkennbar, doch die anderen grinsten nur vor sich hin.
Nachdem sie Conrad von ihrem Besuch bei Caspar erzählt hatten und
auch, dass sie seine Arbeiten so toll fanden, lächelte Conrad stolz. Er stellte
einen Krug Wasser inmitten von ihnen auf den Boden, reichte jedem einen Becher
und forderte sie zum Trinken auf.
Die Tür wurde geöffnet. Irmel trat durch den Türrahmen, gefolgt
von ihrer Mutter.
Sofort rollte André die Augen. »Mal sehen, was sie jetzt wieder
für einen Spruch loslässt!«, raunte er den anderen zu.
Irmel setzte sich in den Kreis, den die Jungen auf dem Boden gebildet
hatten. Sie musterte einen nach dem anderen und man konnte bereits erahnen, dass
André Recht behalten würde: »Mama«, meinte sie auch schon. »Die sind noch alle
da. Wusste ich doch, dass die keiner kauft!« Sie setzte das breite Grinsen auf,
das typisch für sie war, und
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