Siebenpfahl (German Edition)
benötigen die Blume!«, bat der Doktor und fühlte sich
nicht sonderlich wohl dabei, doch die Zeit drängte.
Conrad ging zu der Holzkiste und nahm den Blumenstrauß, den Irmel darauf
abgelegt hatte. Sanft fuhr er mit der Hand hinein, um ihn vorsichtig auseinander
zu stoben, da sah er sie: Man würde sie unter tausenden von Blumen erkennen, so
schön und farbenprächtig war sie. Mit zitternden Händen zog er die Blume der
Zeit heraus und hielt sie für alle sichtbar in die Höhe.
»Solch eine wunderbare Blume habe ich noch nie gesehen!«, zeigte
sich der Doktor angetan und nahm sie Conrad aus der Hand. Er warf Eberhard
einen vielsagenden Blick zu und forderte ihn auf, »gehen wir und
vervollständigen die Flüssigkeit«, als es an die Tür klopfte.
Leon öffnete und der Burgvogt trat ein. Einen Moment musterte er Conrad,
dann wanderte sein Blick auf die tote Margret. Er seufzte hörbar und schüttelte
den Kopf: »Ich störe jetzt sehr ungern«, sagte er. »Aber es gibt eine interessante
Nachricht zu vermelden. Draußen, in einiger Entfernung vor der Stadt, hat sich
eine Armee von Rittern versammelt, und niemand weiß, was das zu bedeuten hat.«
Conrad blickte zu den Jungen hinüber. Sie alle konnten sich denken,
was es zu bedeuten hatte. Siebenpfahl würde versuchen, die Stadt und die Burg zu
stürmen, denn er wollte sein Ziel mit allen Mitteln erreichen.
»Welche Armee soll das sein?«, fragte der Doktor.
»Es handelt sich um keine offizielle Armee, sonst hätten wir es im
Vorfeld sicherlich erfahren«, gab der Vogt zurück und fügte an: »Weiterhin fiele
mir kein Grund ein, der eine Armee zu einem Angriff auf unsere Stadt berechtigen
würde.«
Wieder klopfte es und ein Bediensteter des Vogts trat ein. Nachdem
er sich flüchtig umgeschaut hatte, wandte er sich seinem Herrn zu: »Man sagt,
es sei die Armee von Ritter Kathar.«
Erschrocken schaute der Vogt zu Eberhard und dem Doktor herum: »Was
könnte Kathar hierher treiben?«, fragte er.
Der Doktor streifte Conrad mit einem kurzen Blick, dann wandte er sich
Eberhard zu. »Hast du eine Antwort darauf?«
»Nein, ich wüsste beileibe nicht, was Kathar mit seiner Horde hier
zu suchen hätte«, log der. Er wusste es zwar ganz genau, doch er wollte es nicht
sagen. Vielleicht hätte ja der Vogt die Jungen ausgeliefert, nur um seinen eigenen
Hals zu retten.
Der Doktor überlegte kurz, dann schlug er vor: »Du solltest sicherheitshalber
die Wachen postieren und alle verfügbaren Männer zusammentrommeln, die mit
Kampfwerkzeugen umgehen können; denn sollten wir angegriffen werden, so wären
wir nicht ganz unvorbereitet!«
Der Vogt nickte. »Ich denke, du hast Recht!«, pflichtete er bei und
befahl seinem Bediensteten, dem Anführer der Wachbrigade Bescheid zu geben.
Der Bedienstete eilte davon.
»Wie sieht es mit euch aus?«, fragte der Vogt die Jungen. »Könnt
ihr helfen, Steine auf die Mauerempore zu bringen? Wir brauchen sie als
Wurfgeschosse gegen die Angreifer.«
Leon und Pascal sahen sich an. Sie konnten nicht glauben, dass
sich Soldaten gegenseitig mit Steinen bewarfen. »Natürlich werden wir helfen«,
stimmte Leon zu, obwohl er wusste, dass sie wichtigere Dinge zu tun hatten.
Der Vogt dankte und trat zu Margret. Nachdem er sich bekreuzigt
hatte, sprach er ein leises Gebet, dann verließ er mit ernstem Blick die
Unterkunft.
»Wir sollten nun endlich gehen und die Flüssigkeit fertigmachen«,
riet der Doktor. Er holte die Blume der Zeit hinter seinem Rücken hervor,
wo er sie die ganze Zeit über vor den Augen des Vogts versteckt hatte.
»Wie lange werdet ihr brauchen?«, fragte Conrad.
Der Doktor runzelte die Stirn. »In etwa einer Stunde sind wir wieder
hier.«
*
E berhard hatte sich mit dem Doktor auf den Weg zu dessen Haus begeben.
Während es noch immer in Strömen regnete, waren sie fast am unteren Burgtor
angekommen. Der Weg war matschig und rutschig, sodass sie aufpassen mussten, nicht
hinzufallen.
Plötzlich vernahmen sie eilige Schritte hinter sich. Sie drehten
sich um und erblickten etwa zwanzig Wachmänner, die soeben in voller Kampfmontur
an ihnen vorbeieilten. »Mistwetter!«, hörten sie einen von ihnen fluchen,
worauf ein anderer entgegnete, dass der Regen wohl heute nicht ihr schlimmster Feind
sein würde.
Am Marktplatz angekommen, fiel ihnen sofort das rege Treiben auf. Überall
sah man helfende Hände. Nicht nur Ritter und Wachmänner waren zugange, sondern auch
viele der Zivilisten packten mit an. Der dichte Regen
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