Siebenpfahl (German Edition)
umgrenzten Raum statt. Er
kann ein Zimmer, ein Turm, eine Burg oder gar eine umzäunte Weide sein. Alle Tiere
und Menschen, die sich darin befinden, werden in die andere Zeit mitgenommen
und können dort ihr Leben weiterführen. Die Menschen und Tiere, die sich
außerhalb davon befinden, verlieren ihr Dasein. Legt man also den Stein in
einem geschlossenen Zimmer ab, so werden alle Lebewesen in diesem Zimmer den
Zeitsprung vollziehen. Doch auch alle anderen Dinge, die sich direkt an den
Personen oder Tieren befinden, werden mit in die andere Zeit gelangen.«
*
» S eid ihr jetzt ausgeruht genug?«, fragte Siebenpfahl und
musterte Kathar mit ungeduldigem Blick.
Kathar nickte. Breitbeinig stellte er sich vor seine Männer, dann
befahl er: »Fertig machen!«, worauf sich alle fast gleichzeitig erhoben.
Siebenpfahl war beeindruckt. Nie zuvor hatte er ein solch
diszipliniertes Heer gesehen. Es handelte sich um eine berüchtigte Horde von
Männern, die dem Meistbietenden zur Seite stand. Kathar war ihr Anführer und
jeder von ihnen folgte ihm treu ergeben.
Siebenpfahl, hatte – das musste er sich eingestehen – großen Respekt
vor diesem Heer … und auch ein wenig Angst.
Kathar hob die Hand und zeigte in Richtung Burg, »Diese Burg
werden wir heute noch erstürmen!«, rief er mit fester und unerbittlicher
Stimme.
Hätte nach diesen Worten jedes andere Heer Jubelschreie ausgestoßen,
so schienen Kathars Männer unbeeindruckt, denn keiner von ihnen gab auch nur
einen Laut von sich.
Kathar deutete auf Siebenpfahl. »Dieser Mann wird uns für den Sieg
reichlich belohnen und uns unsterblich machen! Er ist ein Magier und wird die
Zeit beherrschen.«
Nun warfen sich doch einige von Kathars Männern verwunderte Blicke
zu. Hatte ihr Anführer ihnen soeben – im Falle eines Sieges – tatsächlich das
ewige Leben versprochen?
»Wir greifen bald an!«, fuhr Kathar fort. »Ich verlange von jedem
einzelnen von euch, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen! Sollten wir den Sieg
nicht davontragen, so wird es uns heute Nacht nicht mehr geben … denn dann erlischt
der Zauber!«
Er trat zur Lichtung und blickte hinüber zur Burg. Eine Zeitlang
hätte man denken können, es gäbe nichts anderes auf der Welt als die
aufschlagenden Regentropfen, die sich auf den Blättern der Bäume durch dumpfe
Laute bemerkbar machten. Eine beängstigende Stille herrschte und Kathar schien
zu Stein geworden. Starr stand er da und blickte zur Burg hinüber, doch dann
drehte er sich plötzlich wieder zu seinen Männern um. »Wir greifen in drei
Gruppen an.« Er deutete auf Argus, einen seiner beiden Unterführer. »Du reitest
vor und wirst mit deiner Gruppe ein Stück vom Stadttor entfernt einen Scheinangriff
vortäuschen. Kurz darauf werden sie am Tor ihr blaues Wunder erleben!«
Kathar erklärte seinen Plan …
*
U ngläubig starrte der Doktor in die Kräuterpresse, denn nichts war
mehr von der Blume übrig geblieben. Sie hatte sich vollends in Saft aufgelöst. »Wie
kann das sein?«, murmelte er. »Es müsste doch zumindest noch ein kleiner Teil
von ihr als Abfall vorhanden sein.«
Eberhard blickte ebenfalls hinein. Zwar wusste er, dass es sich um
eine besondere Blume handelte, aber dennoch war auch ihm die Überraschung ins
Gesicht geschrieben. »Unglaublich!«, flüsterte er.
Der Doktor hielt das Glasgefäß gegen das Licht und betrachtete die
Flüssigkeit mit prüfendem Blick, dann forderte er Eberhard kopfschüttelnd auf, weiterzulesen.
Eberhard blätterte eine Seite weiter. »Man gebe den Saft der
Blume der Flüssigkeit aus den bereits ausgepressten Pflanzen hinzu.«
Der Doktor formte den Mund. Er hielt die Flaschenöffnung nach
unten, sodass Flüssigkeit herauslaufen konnte. Schon mit dem ersten Tropfen, der
in das bereits hergestellte Gemisch aus den sechs anderen Pflanzen eindrang, entstand
in der Mitte seiner Oberfläche ein gelber Punkt. Je mehr Saft der Doktor hineinschüttete,
desto größer und leuchtender wurde er. Als dann Nebel austrat und ein leichter
Wind aufkam, schauten sich Eberhard und der Doktor einen Moment lang verwundert
an.
Eberhard las weiter. »Nachdem sich der Saft der Blume in der
Flüssigkeit befinde, so lasse man das Gemisch beruhigen. Es werde eine Zeit
dauern und erst dann, wenn kein Nebel mehr emporsteigt, muss man es durch einen
Filter vom Schmutz befreien.«
So warteten sie und beobachteten die Geschehnisse, die sich ihnen währenddessen
darboten …
*
K athars Männer
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