Sieg der Herzen
pure Schinderei gewesen.
Unten sang Mr McLaughlin. Sie kannte das Lied nicht, aber das machte nichts aus. Der Klang seiner Stimme berührte etwas in ihr, etwas, das sie vor jedem, den sie jemals kennen gelernt hatte, verborgen gehalten hatte. Das heißt, bis Jack McLaughlin aufgetaucht war. Er hatte alles durcheinander gebracht, alles auf den Kopf gestellt, ihre Sinne zum Leben erweckt. Und das Schlimmste von allem - er hatte ihr schmerzlich ihre Einsamkeit bewusst gemacht.
Sie stoppte ihren Gedankengang. Es hatte keinen Sinn, sich alberne Fantasien zu erlauben. Tatsache war, dass sie 32 war. Sosehr sie auch Kinder liebte, es war äußerst unwahrscheinlich, dass sie jemals eigene haben würde. Als die Ehemänner verteilt worden waren, war sie leer ausgegangen. Ihr Märchenprinz war offenbar unabkömmlich gewesen, und Mr McLaughlin, so attraktiv und faszinierend er auch sein mochte, war sicherlich nur ein Frosch, kein Prinz.
Jacob McCaffrey und Trey Hargreaves standen auf der hinteren Veranda des Hauses, in dem Trey und Rachel mit ihren Kindern wohnten, und bliesen blauen Zigarrenrauch in die frische Luft dieses verschneiten Oktoberabends.
»In dieser Jahreszeit muss ich immer an die Jungs denken«, vertraute Jacob seinem Freund Trey an und blickte in die Ferne. Trey wusste, dass Jacob die Zwillingssöhne meinte, die er und June in der Schlacht von Lookout Mountain bei Chattanooga verloren hatten. »Wir pflegten um diese Zeit immer auf die Jagd zu gehen.« Jacob legte eine Pause ein und zeigte die Andeutung eines wehmütigen Lächelns, während sein Blick weiterhin wie in weite Ferne gerichtet war. »Will machte sich nicht viel aus der Jagd, obwohl er nie ein Feigling gewesen war, wohlgemerkt. Aber Wes, das war ein feiner Jäger.«
Trey wartete. Jacob erwartete keine Antwort. Eine Zeit lang herrschte Schweigen.
»Was für ein Typ Mann ist er?«, fragte Jacob schließlich. »Dieser Fremde, meine ich.« Er bezog sich auf Jack McLaughlin, der in Miss Olivias Pension wohnte. Auf den Mann, den Trey angeheuert hatte, damit er in der Mine Dynamitladungen anbrachte. Wenn Springwater wie eine wachsende und übermütige Familie war, dann war Jacob das Oberhaupt, und er hatte echtes Interesse an jedem, der kam und ging.
Trey seufzte. »Ruhiger Typ. Nennt sich Jack McLaughlin, aber ich wette meine nächste Ladung Whisky, dass er in diesem Punkt und in vielen anderen lügt.«
Jacob betrachtete ihn nachdenklich. »Wie kommst du darauf?«
Trey zuckte mit den Schultern. »Nur so eine Ahnung«, gab er zu. »Aber eine starke.«
»Du rechnest ihn zu den schlechten Neuigkeiten, diesen McLaughlin?«
»Vielleicht«, räumte Trey nach einigem Überlegen ein. »Vielleicht auch nicht. Er ist kein Greenhorn, und es mangelt ihm gewiss nicht an Mumm. Viele tapfere Männer würden lieber hungern, als unter Tage in Löcher zu kriechen und den ganzen Tag Lunten von Dynamitladungen anzuzünden.« Er seufzte von neuem und schüttelte den Kopf. »Nein, die Wahrheit ist, dass ich ihn mag. Wenn er seinen richtigen Namen für sich behalten will, dann ist das wohl seine Sache. Er wäre nicht der Erste.«
Jacob lachte zustimmend. »Meine June platzt fast vor Neugier. Sie rennt nur deshalb nicht rüber zur Pension, weil sie nicht möchte, dass Miss Olivia sie für eine Schnüfflerin hält.«
Trey lächelte und sog tief an seiner Zigarre. Ich werde das verdammte Rauchen aufgeben müssen, dachte er, doch die Aussicht darauf gefiel ihm gar nicht. Rachel sagte, dieses Laster würde ihn noch umbringen, und sie irrte sich selten.
»Sie alle versuchen, Miss Olivia in ihr Nähkränzchen aufzunehmen, seit Pres und ich sie aus diesem umgekippten Eisenbahnwaggon gezogen haben«, sagte er und meinte mit »sie alle« die Frauen von Springwater. »Mit ihm unter ihrem Dach werden sie wahrscheinlich ihre Bemühungen verdoppeln.«
»Du weißt, was das bedeutet«, sagte Jacob.
Trey nickte. »Bis Weihnachten werden die Ladys von Springwater mehr über diesen armen Mann wissen, als er selbst über sich weiß.«
5
A m nächsten Sonntagnachmittag, im Anschluss an den Kirchgang, trafen sich die Frauen von Springwater, um miteinander Tee zu trinken und ihren Feldzug zu planen, wie sie Miss Olivia Wilcott Darling ein für alle Mal auf ihre Seite ziehen konnten. Zu diesem Zweck wählten sie June McCaffreys geräumiges Haus, denn die Gruppe wuchs ständig, und June hatte viele Tische im Aufenthaltsraum der Postkutschenstation zur Verfügung. Jeder - mit Ausnahme
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