Sieg der Herzen
von Olivia - wusste, dass nicht der Stadtrat, der sich jede Woche im Brimstone Saloon versammelte, die Geschicke von Springwater lenkte, sondern dass die Entscheidungen hier im Kreis der Frauen getroffen wurden. Die Männer glaubten nur, die Verantwortung zu tragen, und der weibliche Zirkel war mehr als bereit, die Ehemänner den Rest ihres - hoffentlich langen - Lebens in seliger Unwissenheit verbringen zu lassen.
Heute war das Hauptthema der Versammlung, bei der es hoch herging, von Beginn an Miss Darlings kühnes Eindringen in die Versammlung des Stadtrats vor einigen Tagen.
Miranda Kildare kicherte - eine von Junes Porzellantassen in der Hand - und berichtete, wie entgeistert ihr Landry wegen der ganzen Sache gewesen war. »Ihr hättet sein Gesicht sehen sollen, als er nach Hause kam und mir davon erzählte«, sagte sie mit glänzenden Augen und kicherte wieder.
»Ich wette, er wäre nicht überraschter gewesen, wenn Lady Godiva pudelnackt mitten in diese Versammlung geritten wäre.«
Rachel Hargreaves hielt einen Teller frisch gebackenen Teegebäcks in der Hand und schüttelte sich vor Lachen. »Trey hatte eine Stinkwut im Bauch. Er meint, die Frau sei darauf aus, ihn zu ruinieren.« Sie schüttelte bei der Vorstellung den Kopf.
Jessica Calloway nippte an ihrem Tee und hielt ein Auge auf ihre Zwillingsnichten, reizende blonde Rangen, die auf einer Decke spielten, weit genug vom Kaminfeuer entfernt, um in Sicherheit zu sein, und nahe genug, um es warm zu haben. »Gage sagt, er wird wohl bis an sein Lebensende bereuen, dass er sein Haus an eine völlig Fremde verkauft hat«, sagte sie mit einem weichen Lächeln der Zustimmung. Jessica, selbst erst relativ kurze Zeit in Springwater, veröffentlichte die Gazette. Sie wohnte mit ihrem Mann zwar noch in den beengten Räumen über dem Büro und der kleinen Druckerei der Zeitung, doch sie und Gage hatten Land am Stadtrand gekauft und planten, dort ein großes Haus zu errichten.
June, stets am glücklichsten, wenn sie inmitten irgendwelchen Trubels war, fühlte sich freudetrunken, weil sie das Haus voller Gesellschaft hatte und es jede Menge Dinge gab, über die sie staunen konnte. »Wer hätte gedacht, dass sie einen fremden Mann unter ihrem Dach wohnen lässt?«, spekulierte sie fast flüsternd.
»Sie betreibt eine Pension«, warf Savannah Parrish ein. Wie die anderen hatte sie ihre Kinder mitgebracht, und die beiden Ältesten, ihre Adoptivsöhne, passten so sorgfältig auf die kleine Beatrice auf, als sei sie so zerbrechlich wie kostbares Porzellan.
June stemmte die Hände in die Hüften und lachte glucksend. »Wisst ihr, ich bin besessen darauf, mir diese Frau zur Freundin zu machen und habe völlig vergessen, dass sie ja auch an ihr Geschäft denken muss.«
»Das überrascht mich«, erklärte Evangeline Wainwright. Evangeline, hübsch und blond, hatte zu den ersten Frauen von Springwater gezählt. »Dass Miss Olivia Wilcott Darling es riskiert, ihren Ruf zu ruinieren, indem sie an das Geschäftliche denkt, meine ich. Besonders wenn es bedeutet, Fremde unter ihrem Dach schlafen zu lassen.«
»Du magst sie nicht, wie?«, fragte die junge Sally Williams, ein hübsches, brünettes Geschöpf, klein und zierlich wie ein sehr junges Mädchen. Sie war scheu und hielt sich für gewöhnlich bei den Versammlungen am äußeren Rand. »Ich nehme an, sie hat nur Hemmungen.«
Evangeline ergriff Sallys Hand und drückte sie. »Ich kenne Miss Darling zu wenig, um sie nicht zu mögen«, sagte sie freundlich. »Es ist nur so, dass sie so spröde und zurückhaltend ist wie am ersten Tag, obwohl wir uns die Beine ausreißen, damit sie mal zum Tee-oder Nähkränzchen kommt.«
»Hochnäsig, das ist sie«, behauptete Sue Bellweather. Sue neigte dazu, in jeder Person zunächst die dunklen Seiten zu sehen, bis man sie vom Gegenteil überzeugt hatte. »Habt ihr sie heute Morgen in der Kirche gesehen? In ihrer Hand wäre kein Stück Eis geschmolzen, so kalt war sie!«
»Sie hat Angst vor uns«, erwiderte Sally. Ihre Stimme klang so zaghaft wie zuvor, doch allein die Tatsache, dass sie zum zweiten Mal in dieser Runde etwas sagte, wies darauf hin, dass sie sich bei diesem Thema stark engagierte.
»Angst?«, wollte Dorothy Mathers, die neue Lehrerin, wissen. Dorothy war ein recht reizloses altes Mädchen, groß wie ein Mann und breitschultrig; trotzdem hatte sie einen Ehemann gefunden, und man hatte versucht, noch eine andere Lehrerin als Nachfolgerin nach Springwater zu locken.
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