Sieg der Herzen
meinte sie. »Das beste Weihnachtsfest, das man sich vorstellen kann!«
Wenn Jack McLaughlin nicht fortreitet, dachte Olivia. Wenn er nicht den McCaffreijs das Herz bricht - und mir - ja, dann wird es ein großartiges Weihnachtsfest.
Jamie stand nahe bei Olivia, bereits in ihren neu genähten Mantel gehüllt. Das Blau passte so perfekt zu dem Kind, wie Olivia erwartet hatte. »Können wir jetzt heimgehen?«, fragte das kleine Mädchen. »Ich möchte jetzt heim.«
Olivia widerstand dem Wunsch, die Hand auf die Stirn des Kindes zu legen und zu prüfen, ob es Fieber hatte, so flehend war Jamies Bitte. Stattdessen nickte sie und holte ihren Mantel vom Haken im Umkleideraum. Nach einer kurzen Verabschiedung von Miss Mathers und ein paar weiteren Worten mit Emma verließen Olivia und Jamie die Schule und machten sich auf den Weg zur Pension.
Während Olivia kurz Halt machte, um Körnerfutter für die Hühner auszustreuen, stand Jamie dabei und suchte den bereits dunkler werdenden Himmel ab.
»Komm mit«, forderte Olivia sie auf, als sie die Hühner gefüttert hatte. Sie würde Abendessen machen und hoffte, dass Jack bald heimkommen würde. Trotz allem sehnte sie sich danach, ihn wiederzusehen, seine Stimme zu hören, einen Vorwand zu finden, seine Hand oder seinen Arm zu berühren...
In einem kurzen Aufbegehren spielte Olivia mit dem Gedanken, schnurstracks zum Büro des Marshals zu gehen und ihn zu bitten, ihr die letzten Steckbriefe zu zeigen, nur um zu sehen, ob sie eine Zeichnung von Jacks Gesicht auf einem davon finden würde, doch sofort verbannte sie den Gedanken. Der Marsha l , Mr John Henry Spencer, würde sie für eine hysterische alte Jungfer halten und vermutlich jedem in der Stadt erzählen, dass Miss Darling befürchtete, einen Kriminellen zu beherbergen.
»Meinst du, dass ich zu Weihnachten noch hier bin?«, fragte Jamie und versuchte, es beiläufig klingen zu lassen. Sie hatte sich an den Küchentisch gesetzt und schlug ihre Fibel auf, in die sie sich vermutlich stundenlang vertiefen würde, vielleicht weil sie erwartete, allein durch ihre Willenskraft das Geheimnis des geschriebenen Wortes zu lösen.
Olivia, bis dahin mit dem Anzünden des Feuers und dem Mustern des Inhalts der Speisekammer beschäftigt, hielt augenblicklich inne. »Aber Liebling, das hoffe ich so sehr«, sagte sie leise. »Hast du etwa vor, uns zu verlassen, Jamie?«
Das Kind wirkte noch kleiner als sonst, und obwohl seine Augen jetzt riesig und intensiv blau waren, kam es Olivia vor, als hätten sie einen grauen Schimmer angenommen - wie ein Sommerhimmel vor einem aufziehenden Gewitter. »Etwas Schlimmes ist geschehen«, sagte sie.
Weibliche Intuition trat in den Vordergrund, und Olivia gab jede Tätigkeit auf, zog sich einen Stuhl an den Küchentisch, setzte sich und ergriff Jamies Hand. »Wie meinst du das, mein Liebling? Sag es mir.«
Jamie blinzelte, und eine einzelne Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und rann glitzernd über ihre Wange hinab. Sie wischte sie mit dem Handrücken fort. »Axel ist tot. Er war dort draußen unter dem Schnee. Ich glaube, ich kann ihn vor dem Frühling nicht wiederfinden.«
»Erzähl mir, wie er starb«, forderte Olivia sie sanft auf.
Eine weitere Träne fiel. »Ich weiß es nicht genau. Er trank Schnaps am Lagerfeuer. Das tat er fast jeden Abend. Als ich ihn aufweckte, war das Feuer ausgegangen, und ich dachte, er muss halb erfroren sein, wie er so da lag. So versuchte ich, ihn wachzurütteln. Doch er lag nur da und wurde nicht mehr wach.«
Olivia streichelte liebevoll Jamies Haar aus der Stirn. »Oh, Liebes, das tut mir so leid. Du musst große Angst gehabt haben.«
Jamie nickte. »Und ob ich Angst hatte.« Sie schwieg kurz und schniefte. »Aber das war nicht das Schlimmste. Ich war auch froh, Miss Olivia. Ich war wirklich froh.«
»Warum hast du das niemandem erzählt? Bis jetzt, meine ich.«
Das kleine Mädchen stieß einen Seufzer aus, der größer war als es selbst. »Ich bin jetzt ein Waisenkind. Axel sagte immer, wenn sich keine Verwandten um dich kümmern, Jamie, wird man dich in ein Heim stecken. Er sagte, dort werden die Kinder geschlagen, wenn sie böse sind, und man lässt sie nicht lesen lernen, und sie müssen auch hungern.«
Welch ein abscheulicher Mann muss er gewesen sein, dachte Olivia, obwohl sie niemals schlecht über Tote sprach. Der liebe Gott wusste, dass sie viele üble Dinge über Tante Eloise hätte sagen können - laut und im Selbstgespräch -, doch sie
Weitere Kostenlose Bücher