Sieg der Herzen
nicht auf die Predigt konzentrieren und hatte den Kern der Botschaft vergessen, als sie dem Pastor nach dem Gottesdienst auf der Treppe vor der Kirche die Hand schüttelte.
Es war vielleicht Ironie, dass sie am Montag gleich nach dem Frühstück den Steckbrief fand, keine halbe Stunde, nachdem Jack das Haus verlassen hatte und zur Mine geritten war. Sie war in sein Zimmer gegangen, um sein Bett mit frischen Laken zu beziehen.
Sie hätte nicht seinen Besitz durchsucht, so neugierig sie auch war, doch das zerknitterte Papier, viermal gefaltet, lag auf dem Boden, halb unter dem Nachttisch, und sie bückte sich bereits und hob es auf, bevor ihr die erste Ahnung kam, was sie da entdeckt hatte.
Ein Teil des Wortes »WANTED« war zu sehen, zusammen mit der Ecke einer Zeichnung.
Mit zitternden Fingern entfaltete Olivia das verknitterte Papier und hatte das Gefühl, wie ein Stein von einer hohen Brücke zu fallen.
Gesucht wegen mehrerer Verbrechen William J. »Will« McCaffrey
Das abgebildete Gesicht, zwar vor vielen Jahren gezeichnet, zeigte zweifellos Jack.
Eigentlich hätte sie nicht überrascht sein dürfen; wie oft hatte Jack nicht schon klar gemacht, dass er nach Springwater gekommen war, um Jacob und June zu sehen. Dennoch traf sie die Erkenntnis wie ein Blitzschlag.
Im ersten Moment wollte sie zur Station rennen und mit der Nachricht herausplatzen, dass wenigstens einer von McCaffreys Söhnen am Leben war. Doch sofort wurde ihr klar, dass sie das nicht tun durfte. Es war Jacks - Wills - Sache, diese Nachricht zu verkünden, und das würde er tun, wenn er dazu bereit sein würde.
Unterdessen, dachte sie, während sie den Steckbrief faltete und wieder unter den Nachttisch legte, werde ich die Sache für mich behalten, soweit das möglich ist. Allerdings nahm sie sich vor, ihren Pensionsgast mit dem zu konfrontieren, was sie erfahren hatte.
Als er an diesem Abend nach Hause kam, hielt sie ihm sofort das verknitterte Blatt Papier unter die Nase.
»Will«, sagte sie anklagend. »Sie sind Will McCaffrey.«
Sein Gesicht versteinerte. »Sie haben in meinen Sachen geschnüffelt.« Die Worte klangen gepresst und waren weder ein Geständnis noch ein Leugnen.
»Ich habe dies auf dem Boden gefunden«, erwiderte sie. »Auf dem Boden meines Hauses, möchte ich hinzufügen.«
»Lassen Sie das auf sich beruhen, Olivia«, sagte er, und seine Stimme klang ruhig und kalt, als er ihr den Steckbrief aus der Hand nahm. »Lassen Sie es auf sich beruhen. Sie können nicht wissen, was es bedeutet.«
Sie sagte nichts, und danach herrschte ein stummer, unbehaglicher Waffenstillstand zwischen ihnen.
Am folgenden Nachmittag ging Olivia wieder in die Kirche. Sie hatte eine Art Frieden mit ihrem beunruhigenden Wissen geschlossen und sich fest vorgenommen, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Sie wurde belohnt, als die Hälfte der Kinder von Springwater zu der Versammlung erschien und Rollen bei dem Krippenspiel haben wollte. Es würde eine große Besetzung sein, denn keines der Kinder würde abgewiesen werden, und während der langen Prozedur war Olivia doppelt dankbar für Emma Hargreaves' Hilfe. Müde nach einem Schultag, aufgeregt und vermutlich hungrig, waren die zukünftigen Schäfer, Heiligen Drei Könige und Engel ein wenig ungebärdig.
Dennoch schaffte Olivia ihre Aufgabe, jedem eine Rolle zuzuteilen. Millicent, ein scheues Mädchen von einer der umliegenden Ranches, würde die Maria spielen, und Isaiah Kildare, groß für sein Alter, erhielt die Rolle des Josef. Es gab sieben Schäfer, einige davon weiblich, und einer der Heiligen Drei Könige war ebenfalls ein Mädchen. Es würde keine geringe Herausforderung sein, Text für den Esel und den Ochsen, das Kamel und das Schaf zu finden, aber irgendwie würde sie das schon schaffen. Jamie zögerte ein wenig, bevor sie die Rolle eines Engels und der Solistin, die »Stille Nacht « singen würde, akzeptierte, vielleicht weil sie den Neid der anderen fürchtete. Doch als sie »O Little Town of Bethlehem« zur Probe vortrug, verstummten selbst die kleinsten der Kinder und hörten andächtig zu. Ein anderes Mitglied der himmlischen Schar, vermutlich Daisy oder Rose Williams, würde den Schäfern die Frohe Botschaft verkünden.
Olivia und Jamie gingen dann beim Sonnenuntergang Hand in Hand durch den knirschenden Schnee heim, und das Kind blickte eifrig und hoffnungsvoll zu Olivia auf und fragte: »Ich habe gut gesungen, nicht wahr? Gut genug, um ein Engel zu
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