Sieg der Leidenschaft
einen langen Brief von Sydney gebracht.«
»Das weiß ich.«
»Könnte ich dir das alles doch irgendwie erleichtern ...«
Er zog sie noch fester an sich und legte sein Kinn auf ihren dunklen Scheitel. »Das tust du, mit Anthonys und Marys Hilfe. Habe ich dir in letzter Zeit eigentlich gesagt, wie sehr ich dich liebe, meine Tochter?«
»O Vater, ich ...« Plötzlich unterbrach sie sich. »Schau doch!«
Er hatte aufs Meer geblickt und den Mann nicht entdeckt, der am anderen Ende der Lagune halb im Wasser lag, unter einen hohen Palme.
»Mein Gott!« Jennifer riss sich los und rannte am Ufer entlang.
»Nein, warte!«, befahl James, folgte ihr und hielt sie am Arm fest. »Wenn er noch lebt, ist er vielleicht gefährlich.« Er stürmte an ihr vorbei, doch sie blieb ihm auf den Fersen. Aber jetzt befand sie sich wenigstens hinter ihm. Bevor er sich der reglosen Gestalt näherte, zog er das Messer aus der Scheide an seinem Fußknöchel. Hastig kniete er im feuchten Sand nieder und drehte den Soldaten auf den Rücken. Im Hals des Mannes pochte ein schwacher Puls. Die Uniform stammte von der Unionskavallerie. Noch mehr Kavallerie - verdammt! Ein schlanker junger Mann, das blonde Haar mit Sand verkrustet. Die Haut sonnengebräunt.
»Vater ...«
»Er lebt.« Aufmerksam betrachtete James das Gesicht des Mannes. Über die Schläfe zog sich ein Streifen aus geronnenem Blut.
»Wir müssen ihn ins Haus bringen und ihm helfen,
Vater.«
»Aber er ist ein Yankee.«
»So wie Ian und Taylor. Stehen dir die beiden nicht fast so nahe wie deine Söhne?«
»Jennifer, dein Mann fiel in einem Unionsfeuer.«
»Und mein Vetter Ian hat mich vor dem Henker gerettet. Willst du diesen Mann sterben lassen, nur weil er für die Union kämpft? Stell dir vor, eine Unionistin würde Brent oder Jerome oder Julian finden, schwer verwundet... Großer Gott, spielt es denn eine Rolle ...«
»Nein, ich wollte dich nur an die Vergangenheit erinnern - an Zeiten, wo du sogar Ian den Tod gewünscht hast.«
»Vielleicht. Aber ihr beide, du und Ian habt mich gelehrt, weiterzuleben, ohne Bitterkeit zu empfinden. Natürlich wirst du diesen Mann nicht sterben lassen.«
Seufzend gab er ihr Recht. »Also gut. Lauf ins Haus und sag Teela, ich bringe ihr ein besonderes Weihnachtsgeschenk - einen verwundeten Yankee. Das hat sie sich doch immer gewünscht.«
Am Weihnachtsmorgen flirtete Tia enthusiastisch mit Raymond Weir und wusste, ihr Feind würde sie lächeln sehen und hören, wie sie gemeinsam mit dem alten Freund schöne Erinnerungen heraufbeschwor. Obwohl sie nicht wusste, warum, versuchte sie Ray zu becircen.
War das falsch - oder sogar gefährlich? Sie fing einen warnenden Blick ihrer Schwägerin auf, die sich offenbar sorgte. Aber Tia konnte einfach nicht aufhören, mit Ray zu kokettieren. Für sie war es trotzdem ein vergnüglicher Weihnachtsmorgen. Nach dem Frühstück packten die aufgeregten Kinder ihre Geschenke aus, zerrissen das bunte Papier, bejubelten ihre neuen Spielsachen und liefen lachend umher - zu jung, um die dunkle Wolke wahrzunehmen, die über dem geteilten Land schwebte.
Auch die Erwachsenen bekamen Geschenke und
Tara bedachte sogar die Gäste. Dem Rebellen überreichte sie einen großen Räucherschinken, dem Yankee die Blechfotografie einer Frau in einem zierlichen Silberrahmen.
Dieses Bild hatte Tia nie zuvor gesehen. Während es von einer Hand zur anderen wanderte und bewundert wurde, bedankte sich Taylor Douglas bei der Gastgeberin. »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mrs. McKenzie, dass Sie daran dachten, obwohl Sie gerade zu Weihnachten alle Hände voll zu tun haben, und die Fotografie beschaffen konnten ... Wie soll ich Ihnen jemals danken ...«
»Kurz nach Ihrer Hochzeit haben Sie das Bild James' Frau geschickt, meiner Schwägerin Teela«, erklärte Tara lächelnd. »Vor einiger Zeit brannte Teelas und James' Haus nieder. Während es wieder aufgebaut wurde, sandte sie uns viele Sachen, die sie vor den Flammen gerettet hatten und die wir verwahren sollten. Dieses Bild war dabei. Als ich hörte, Sie würden uns besuchen, sagte ich mir, Teela würde es Ihnen sicher gern zurückgeben.«
Jetzt hielt Tia die gerahmte Fotografie in der Hand -das Porträt einer schönen Blondine mit einem gewinnenden Lächeln.
Taylors Frau ...
Warum begannen ihrer Finger plötzlich zu zittern? Sie hatte gehofft, ihn nie wiederzusehen. Bei jeder Begegnung hatte er sie gedemütigt. Warum wurde sie plötzlich von so seltsamen Gefühlen
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