Sieg der Liebe
lieben.
„Hier auf diesen Inseln ist alles anders, Jerusa“, sagte er geduldig. „Die Gewässer bei euch im Norden sind nicht so gefährlich.“
„Warum hast du mich dann nicht einfach dort gelassen?“ Sie schlang die Arme um ihren Körper und dachte plötzlich daran, daß sie seine Zärtlichkeiten vielleicht nie mehr spüren würde. „Warum hast du mich nicht einfach gelassen, wo ich war?“ „Das konnte ich nicht, ma chere“, erwiderte er leise. „Ich mußte dich entführen. Auf Martinique ...“
„Zum Teufel mit deinem Martinique! “ rief sie zornig und gequält zugleich. „Ich weiß, was du mir sagen willst: Mein Vater wird dort sein, und du hast noch immer die Absicht, ihn zu töten. Du willst nicht, daß ich dir dabei im Wege stehe. Aber was wird sein, wenn er dich tötet, Michel? Hast du an diese Möglichkeit gedacht? Hast du daran gedacht, was das für mich bedeutet, dich zu verlieren, so wie deine Mutter deinen Vater?“ Michel schloß die Augen und senkte den Kopf. „Das wird nicht geschehen, Jerusa“, sagte er heiser. „ Mordieu , es darf nicht geschehen.“
Und zum erstenmal erkannte sie schaudernd, daß er recht hatte.
„Du wirst meinen Vater töten“, flüsterte sie. „Du wirst ihn töten, weil er meinetwegen kam.“
„Ich habe keine Wahl, cherie.“ Als Michel den Kopf wieder hob, sah sie seinen gehetzten Blick. „Aber ich liebe dich, Jerusa.“
„Wie kannst du behaupten, mich zu lieben, wenn du geschworen hast, meiner Familie so etwas Schreckliches anzutun?“
Michel schwieg. In seinem Gesicht spiegelte sich seine ganze Seelenpein wider.
„Ich liebe dich, Jerusa“, sagte er weich. „Je t’aime tant! Weißt du, daß ich das noch niemals zu jemandem gesagt habe? Ich habe außer dir nie jemand geliebt, Jerusa. Niemals, und das ist die Wahrheit.“
Er griff tief in die Seekiste und zog ein kleines, flaches, in Leder gewickeltes Päckchen hervor. Und nachdem er es ausgewickelt hatte, schlug Jerusas Herz bis zum Hals. Das Bild mit der schwarzhaarigen Schönheit, deren Augen so strahlten.
Hatte er deshalb darauf bestanden, an diesem Nachmittag auf die Swan zurückzukehren, um das Porträt dieser Frau vor den Plünderern zu retten? War sie Jerusas Rivalin, ein weiterer Grund, warum er sie auf Martinique nicht haben wollte?
„Sieh her, ma chere.“ Michel hielt Jerusa das kleine Porträt hin, damit sie es anschauen konnte. Seine Hand zitterte. „Sieh sie dir an, sie ist mein Fluch und mein Segen.“
„Sie ... sie ist sehr schön“, bemerkte Jerusa stockend. Was sollte sie sonst sagen?
Er betrachtete das Porträt selbst. „Sie war einmal sehr schön. Ich kann mich daran erinnern, wenn ich mich sehr bemühe oder das Bild anschaue. Vielleicht wollte Maman es deshalb niemals verkaufen, auch wenn wir nichts zu essen hatten und mein Magen leer war.“
„Sie ist deine Mutter?“ fragte Jerusa und versuchte zu verstehen, was er ihr sagte.
Er nickte und strich gedankenverloren immer wieder mit dem Finger über den Messingrahmen. „Antoinette Gericault. Sie war erst siebzehn, als mein Vater sie liebte, ma mie, erst siebzehn, als er starb und ich geboren wurde.“
Als er noch ein Kind war, hatten die beiden Porträts immer neben dem Bett seiner Mutter gehangen, ganz niedrig, so daß Maman sie gleich sehen konnte, wenn sie am Morgen erwachte. Die schöne Lady mit dem reizenden Lächeln, der gutaussehende Gentleman, der zur Seite blickte, als bewunderte er sie. Michel war schon älter, als er erfuhr, daß die Lady und der Gentleman seine Eltern waren, und die Geschichte hörte, wie Maman die Porträts gerettet hatte. Sie hatte in jede Tasche eins gesteckt, bevor sie die Treppen hinunterlief in jener Nacht, in der das Feuer alles zerstörte.
Das Feuer, das Gabriel Sparhawk und seine Männer gelegt hatten ...
„Damals war sie das schönste Mädchen in St. Pierre, und die Männer flehten um ein Lächeln von ihr. Christian Deveaux hat sich auf den ersten Blick in sie verliebt, als sie eines Morgens mit einem Korb weißer Lilien vom Markt kam.“ Michel lächelte. Er dachte daran, daß seine Mutter immer den Arm gebeugt hatte, wenn sie die Geschichte erzählte, um ihm zu zeigen, wie sie den Korb auf ihre Hüfte gestützt hatte. „Aber das ist schon lange her, es war, bevor der Kummer ihr die Schönheit raubte.“
Der Kummer, an dem die Sparhawks schuld waren.
Damit hatte es für ihn angefangen: Jedes Unglück, jede Ungerechtigkeit wurde dem Engländer Gabriel Sparhawk
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