Sieg der Liebe
Begrüßung klang herzlich, und Michels Wachsamkeit war sofort geweckt.
Sie setzte sich in einen Lehnstuhl am Fenster und bedeutete Michel, sich auf den Stuhl daneben zu setzen. Er tat es nicht. Was immer auch geschehen sein mochte, es war sicher besser, wenn er es sich nicht allzu bequem machte.
„Es scheint dir gutzugehen, Maman“, begann er vorsichtig. „Was sagte denn Dr. Benoit dazu?“
„Ich habe Dr. Benoit seit vierzehn Tagen nicht gesehen“, sagte sie in der atemlosen, kindlichen Sprechweise, die sie niemals abgelegt hatte. „Er kam, aber ich habe ihn fortgeschickt, du kannst also sicher sein, daß er kein Geld für eine Visite verlangen kann.“
„Vielen Dank.“ Michel fragte sich, ob es ihr vielleicht gelungen war, einen Liebhaber zu finden. Hing das Bild seines Vaters noch über ihrem Bett, oder war Christian Deveaux schließlich doch noch durch einen anderen ersetzt worden?
Michel sah an ihr vorbei zum Fenster hinaus und hoffte, daß er die richtigen Worte finden würde. „Erinnerst du dich an den Grund für meine letzte Reise, Maman ? Wo ich gewesen bin?“
„Natürlich, Michel! Wie könnte ich das vergessen!“ Sie lehnte sich matt zurück und kreuzte die Füße auf dem kleinen Schemel. „Endlich, nach so vielen Jahren, hast du meine innigsten Wünsche erfüllt.“
Ihr Tadel war sanft, aber unverkennbar, gerade ein kleiner Hieb gegen Michels Gewissen, und er zuckte innerlich zusammen. „Wir sind vor langer Zeit übereingekommen, Maman, daß es der richtige Zeitpunkt sein mußte. Gabriel Sparhawk lebt nicht auf einer Plantage im Hinterland, so daß man ihn mit einem Messer im Rücken beseitigen könnte.“
Sie lehnte ihren Kopf gegen die Stuhllehne. Ihre Lider waren schwer. „Du mußt dich nicht entschuldigen, mein lieber Michel. Ich bin deine Mutter, trotz allem. Ich verstehe dich völlig. “
Sie versteht, na schön, dachte Michel grimmig. Er verstand ebenfalls. „Dann wirst du dich erinnern, Maman, daß es deine Idee war, Sparhawk aus seiner Heimat fortzulocken. Du wolltest, daß er auf Martinique stirbt, nicht auf Rhode Island. Du wolltest es so, Vaters wegen.“
„Natürlich erinnere ich mich, mein Lieber. Ich erinnere mich vielleicht besser als du dich selbst. Aber wie solltest du auch, du hast deinen Vater ja nicht gekannt.“
Sie legte anmutig die Fingerspitzen aneinander, und als die weißen Batistmanschetten an ihren Ärmeln zurückglitten, konnte Michel die bleichen Narben sehen, die ihre Handgelenke wie Armbänder umschlossen. Seine Mutter hatte ihm niemals gesagt, woher sie stammten, und er hatte niemals fragen wollen. Die Narben waren nur ein Geheimnis von vielen.
„Ich weiß nur, daß ich immer versucht habe, die Erinnerung an meinen Vater zu ehren, indem ich deine Wünsche befolgte“, sagte Michel langsam. „Und du wirst jetzt bald alles haben, was du jemals begehrtest.“
„Du hast das sehr gut gemacht, Michel.“ Sie schnurrte fast vor Zufriedenheit. „Warum sonst ging es mir so viel besser, seit du fort warst? Das Bewußtsein, daß es endlich Gerechtigkeit geben würde, hat meinen Kopf auf wunderbare Weise geklärt. Du bist nach Rhode Island gegangen, und du hast Sparhawks Tochter direkt vor seiner Nase entführt. Natürlich wird er ihr folgen, so wie wir es geplant hatten.“
Michel blickte erstaunt drein. Wie konnte seine Mutter schon von Jerusa erfahren haben? Er hatte sie in dem Zimmer im Gasthaus vor noch nicht einmal zwei Stunden zurückgelassen, mitten zwischen zahllosen Bändern und Stoffmustern, während eine Schneiderin und ihre Gehilfinnen sich beeilten, Madame Gearys Wünsche zu erfüllen. „Du weißt von Miss Sparhawk?“
„Ich weiß, daß du genau das getan hast, worum ich dich gebeten habe, Michel. Ich bin auch sehr dankbar und stolz, genauso, wie es auch dein Vater sein würde.“
Michel fühlte sich unbehaglich. Zum erstenmal in seinem Leben wollte er ihre Zustimmung nicht, jedenfalls nicht hierfür.
„Ich habe getan, worum du mich batest, Maman, das stimmt“, begann er und wählte seine Worte sehr sorgfältig. „Aber ich möchte mit dir über die Pläne sprechen, die du mit Miss Sparhawk hast. Die Dinge haben sich geändert, seitdem ich das letzte Mal hier bei dir war.“
„O ja, das haben sie, nicht wahr?“ Antoinettes dunkle Augen blickten beinahe heiter. „Die kleine Dirne wird Newport niemals Wiedersehen. Sie wird niemand heiraten, und sie wird mit dem Wissen ins Grab gehen, ihrem Vater den Tod gebracht zu
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