Sieg des Herzens
befahl Julian forsch. Insgesamt hatten fünfzehn Männer den Zug begleitet, inklusive des Jungen, der immer noch reglos in den Büschen lag. Sie drängten sich nun alle in der Mitte des mondbeschienenen Hohlwegs, während man ihnen die Waffen abnahm.
Dann sagte Julian: »Wenn Sie nun in den letzten Wagen steigen würden, meine Herren ...«
»Wo bringen Sie uns hin«, wollte einer der Yankees wissen.
»Erst einmal in diesen Wagen«, entgegnete Julian. »Behaltet sie im Auge«, befahl er dann seinen Leuten, während er zunächst selbst in den Wagen stieg, um zu sehen, was er geladen hatte. Wie erwartet, handelte es sich um den Proviantwagen. Als er wieder herauskam, sagte er zu den Yankees: »Ihr könnt zu Fuß gehen oder den Wagen hier nehmen. In jedem Fall habt ihr noch ein ganz schönes Stück vor euch, Jungs. Und jetzt rein mit euch!«
Maulend stiegen die Männer in den Proviantwagen, bewacht von Henry und Liam und den beiden Henley-Leuten.
Nachdem Julian auch die anderen Wagen inspiziert hatte, erhob er die Hände zum Himmel und sagte: »Danke, Gott!«
Da waren Unmengen von Äther, Morphium und Verbandszeug. Außerdem Chinin, Wurzel- und Pflanzenextrakte, Schwefel, Quecksilber und Jod ... Das war besser als eine Diamantmine. Als er bemerkte, daß Henley hinter ihm stand, drehte er sich um. Der Kavallerist salutierte grinsend vor ihm und sagte: »Die Yankees haben gerade eben mitbekommen, daß sie gar nicht umzingelt sind, Doktor.«
»Na, irgendwann mußten sie es ja mal merken.«
»Aber mit den Messern im Proviantwagen können Sie gegen unsere Gewehre wohl kaum etwas ausrichten. Sie sind mir vielleicht einer, Sir. Ich wäre überhaupt nicht auf die Idee gekommen, den Jungen einfach k. o. zu schlagen, und ich hätte auch nicht daran gedacht, den Yankees einfach so zu sagen, sie sollen sich ergeben. Ich hätte wohl die Hälfte von ihnen getötet, und dabei wahrscheinlich auch ein oder zwei unserer Leute verloren.«
»Lassen Sie uns die Sachen ins Camp bringen, Henley«, erwiderte Julian nur, und wieder salutierte der Hauptmann vor ihm.
Gegen Mittag hatte Rhiannon mit dem General und den anderen freiwilligen Krankenschwestern Washington verlassen. Man hatte ihr angeboten, in einem der Krankenwagen mitzureisen. Aber nach einem Tag Geschaukel auf den vier großen Rädern fühlte sie sich so hundeelend, daß sie beschloß, am nächsten Tag die Erlaubnis einzuholen, neben dem General reiten zu dürfen. Selbstverständlich hatte er nichts dagegen, da der Feind noch mehrere hundert Kilometer entfernt sein mußte. Man gab ihr einen schwarzen Wallach, der bestens gepflegt war und einen angenehmen Schritt hatte; und es ging ihr gleich viel besser. Unterwegs war Magee äußerst charmant und erzählte ihr Anekdoten über seine Zeit beim Militär, und als er danach auf seine Tochter zu sprechen kam, wurde er beinah herzlich.
»Ich vermisse sie«, sagte er. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr. Ich muß gestehen, daß ich für meinen Teil am zufriedensten war, als Jerome McKenzie sich im Gefängnis und meine Tochter sich bei mir in Washington befand.« Dann fuhr er seufzend fort: »Nein, das ist eigentlich nicht wahr. Sie war nicht glücklich über die Situation, und er auch nicht ... Aber es war schön, meinen Enkel bei mir zu haben. Er ist ein so süßes Kind, Ma'am.«
»Ja, da haben Sie recht, Sir.«
»Haben Sie den kleinen Jamie schon einmal gesehen?« fragte er, und seine Stimme bekam einen erstaunlich sanften Klang für einen Mann, der es gewohnt war, Befehle zu brüllen.
»Ja, Sir, in St. Augustine, als ich dort mit Ihrer Tochter und Alaina McKenzie eintraf.«
»Und wie geht es Alainas Kindern?«
»Sie sind gesund und munter, Sir.«
»Ah, gut, gut. Ich bin immer froh, wenn ein Mann das Glück hatte, seine Kinder schon vor dem Krieg zu bekommen. Sonst ist es noch schlimmer, wenn er im Feld bleibt, weil seine Witwe dann nicht einmal ein Baby hat, dem sie ihre Liebe schenken kann. Und für einen Mann ist es auch ganz wichtig zu wissen, daß er einen Erben hinterläßt.«
Rhiannon senkte betrübt den Blick, während sie gleichzeitig wieder dieses Unwohlsein überkam. Ein Kind zu haben, war wirklich eine wichtige Sache. Sie wünschte, daß ihr und Richard dieses Glück vergönnt gewesen wäre. Sie biß sich auf die Unterlippe und hob wieder den Kopf. Nun, sie und Richard hatten zwar keine Kinder gehabt, aber jetzt...
»Ist alles in Ordnung, Mrs. Tremaine?« erkundigte sich der General besorgt. »Sie
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