Sieg des Herzens
aus Maine ein wahres Heidenstück vollbracht, indem er und seine Männer die angreifenden Konföderierten allein mit ihren Bajonetten in die Flucht schlugen, nachdem ihnen zuvor die Munition ausgegangen war. Diese verzweifelte Attacke hatte die Rebelleneinheit dermaßen verwirrt, daß sie das Feuer eingestellt hatten und vom Schlachtfeld gerannt waren.
Es wurde sehr lange gekämpft. Als es schon dunkel zu werden begann, hatten die Konföderierten noch einmal am Cemetry Hill, dem Friedhofshügel, zum Angriff gegen die Yankees geblasen. Dort kämpfte man den ganzen Abend, bis es schon fast zehn Uhr und einfach zu dunkel geworden war. Aber auch danach fiel hier und da noch ein Schuß.
Bald brannten überall auf dem Schlachtfeld, das vom Blut der Gefallenen getränkt war, Lagerfeuer. Konföderierte und Unionsgetreue beendeten den Tag, ohne daß einer Seite der Sieg sicher gewesen wäre.
Mit den Verletzten kamen alle möglichen Geschichten in den Operationssaal: Einige erzählten von Heldentaten, andere von Feigheit vor dem Feind, Erfolg oder Niederlage, Freude über einen Sieg im kleinen oder Verzweiflung. Und so bekam Rhiannon auch die Berichte aus erster Hand über einen Chirurgen der Rebellen, der, obwohl noch geschossen wurde und man den entsprechenden Teil des Schlachtfeldes nach wie vor mit Kugeln bedachte, mit seinen Helfern aus seinem Lazarettzelt gekommen war, um die Verwundeten zu bergen. Der Mann hieß McKenzie. Und er hatte Männern geholfen, egal, ob sie Grau oder Blau trugen, und solchen, die so blutüberströmt und mit Matsch beschmiert waren, daß man die Farbe der Uniform kaum noch erkennen konnte.
Vielleicht war es ganz normal, daß Rhiannon schließlich davon träumte, als sie endlich eingeschlafen war...
Zuerst spielten sich wieder die Bilder von Richards Tod vor ihrem inneren Auge ab. Sie wußte, daß sie jetzt all diese schrecklichen Momentaufnahmen wieder durchleben mußte, konnte aber doch nicht verhindern, daß der Traum die Oberhand behielt. Sie hörte das Schreien der Männer und die Befehle, wie sie sie den ganzen Tag über gehört hatte, nur daß das, was sie nun sah, an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit passiert war.
Dort waren einst Maisfelder gewesen, mit großen grüngoldenen Stauden, die von weitem wie ein grünes Meer ausgesehen haben mußten, als sie sich noch sacht im Sommerwind wiegten. Aber nun waren sie abgeknickt und verwüstet, von den Tausenden von Kugeln, die auf sie herniedergegangen waren...
Rhiannon warf sich auf ihrem Feldbett hin und her, wollte schreien, sich abwenden, aber es gelang ihr nicht. Sie wollte den Männern etwas zurufen, sie vor dem Tod bewahren, aber sie brachte kein Wort heraus. Dann sah sie Richard, der einen Trupp anführte.
O Gott, warum mußte sie das alles noch einmal durchmachen.
Die Männer gerieten in einen furchtbaren Kugelhagel, und einige von ihnen stürzten zu Boden. Sie wollte laut schreien und Richard davon abhalten, umzukehren. Aber da traf ihn schon der tödliche Schuß. Für einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen. Der Wunsch weiterzuleben war ihm von den Augen abzulesen, und auch das Bedauern und der Schmerz darüber, daß er all die Dinge, die das Leben schön machten, nun nicht mehr würde sehen oder berühren können. Seine Lippen formten ihren Namen ... Und so wie das Leben aus seinen Augen wich, verdunkelte sich auch der Himmel, nur damit sich alles noch einmal wiederholte.
Dann sah sie einen anderen Hügel. Und in ihrem Traum war Rhiannon plötzlich hier in Gettysburg, diesem kleinen Städtchen in Südpennsylvania. Die Männer kamen Reihe an Reihe, und das Schlachtfeld wurde beherrscht von Rauch- und Schwarzpulverfahnen, ohrenbetäubendem Kanonendonner, dem kreischenden Geräusch der Kugeln, dem kläglichen Wiehern verendender Pferde - und dem Schreien sterbender Soldaten. Und doch marschierten immer noch mehr auf und kamen über den Hügel...
Obwohl sie furchtbare Angst hatte und von dem Chaos ringsum fast völlig vereinnahmt war, hörte sie zwischen all dem Lärm noch ein anderes Geräusch, und bald erkannte sie, daß es der Schlachtruf der Rebellen war. Der Süden starb hier vor ihren Augen, während er mutig, tapfer und verzweifelt den Norden angriff.
Plötzlich wirbelten die Bilder ihres Traumes durcheinander, wobei sich der alte Traum mit einem neuen vermischte. Richard starb noch einmal und starrte sie im Tod mit weit aufgerissenen Augen an ... dann fiel er zu Boden, rollte herum und war nicht mehr
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