Sieg einer großen Liebe
dem Tisch höhergedreht hatte, öffnete sie das Buch. Ein parfümiertes rosa Notizpapier flatterte auf den Boden. Victoria hob es auf und wollte es schon zurücklegen, doch die ersten Worte der auf französisch geschriebenen Botschaft sprangen ihr buchstäblich ins Auge.
Geliebter Jason,
ich vermisse dich so sehr. Ungeduldig warte ich und zähle die Stunden bis zu mir kommst...
Victoria wusste, daß es unerzogen und unter ihrer Würde war, die Briefe anderer zu lesen. Doch die Vorstellung, eine Frau könnte ungeduldig auf Jason Fielding warten, schien ihr so unglaublich, daß sie ihre Neugierde nicht zügeln konnte. Sie selbst neigte eher dazu, ungeduldig darauf zu warten, daß er schnell verschwand. Sie war so mit ihrer Entdeckung beschäftigt, daß sie Jason und Miß Kirby nicht kommen hörte, während sie weiterlas.
Ich schicke dir diese Gedichte in der Hoffnung, daß du sie lesen und an mich denken wirst, an die zärtlichen Nächte, die wir gemeinsam verbrachten ...
„Victoria!" rief Jason.
Schuldbewusst sprang Victoria auf und ließ den Gedichtband fallen, hob ihn hastig auf und setzte sich wieder. Um möglichst versunken in ihre Lektüre zu wirken, starrte sie blind hinein, ohne zu bemerken, daß das Buch auf dem Kopf stand.
„Warum antwortest du nicht?“ wollte Jason wissen, als er mit der reizenden Miß Kirby am Arm in die Bibliothek schlenderte. „Johanna wollte sich von dir verabschieden und dir ihren Rat anbieten, wenn du etwas im Dorf einkaufen möchtest.“
Nach Lady Kirbys vorangegangenen Beleidigungen fragte sich Victoria, ob man wohl damit andeuten wolle, daß sie nicht in der Lage sei, allein einzukaufen. „Es tut mir leid, ich hörte sie nicht rufen“, entschuldigte sie sich und bemühte sich, weder ärgerlich noch schuldbewußt auszusehen. „Wie Sie sehen, habe ich gelesen und war ziemlich gefesselt.“ Sie schloss das Buch und legte es auf den Tisch, dann blickte sie auf.
Als sie den Ausdruck von Empörung auf Jasons Gesicht sah, drückte sie sich noch tiefer in den Sessel. „Ist... ist etwas nicht in Ordnung?“ fragte sie. Bestimmt erinnerte er sich an die Notiz in dem Buch und verdächtigte sie, den Brief gelesen zu haben.
„Ja“, stieß er hervor und wandte sich an Miß Kirby, die Victoria verächtlich und mitleidig anstarrte. „Johanna, können Sie einen Lehrer aus dem Dorf empfehlen, der ihr das Lesen beibringt?“
„Mir das Lesen beibringen?“ wiederholte Victoria und zuckte zusammen. „Das ist ja lächerlich! Ich brauche keinen Lehre.... ich kann sehr gut lesen.“
Jason beachtete sie nicht. „Kennen Sie einen Lehrer, der ins Haus kommt?“ fuhr er an Miß Kirby gewand fort.
„Ich denke schon. Mr. Watkins, der Vikar, ist bestimmt dazu bereit.“
Am Ende ihrer Geduld, sah Victoria das Paar wütend an. „Das ist wirklich absurd“, sagte sie. „Ich brauche keinen Hauslehrer.“
Jason wurde eiskalt. „Lüge mich nie wieder an“, warnte er sie. „Ich hasse Lügen, besonders bei Frauen. Du kannst kein Wort lesen, und das weißt du auch ganz genau! “
„Unglaublich!" rief Victoria. „Wenn ich es doch sage! “
Bis an die Grenzen des Erträglichen gereizt von ihrem vermeintlichen Versuch, ihn zu hintergehen, war Jason mit drei großen Schritten am Tisch, nahm das Buch und drückte es ihr in die Hände. „Dann lies!“
Zornig und gedemütigt über die Behandlung, noch dazu vor den Augen von Miß Kirby, die ihre Belustigung offen zeigte, schlug Victoria das Buch auf und fand die parfümierte Notiz.
„Nun los“, spöttelte er. „Trage uns etwas vor.“
Victoria warf ihm einen abwägenden Blick zu. „Sind Sie völlig sicher, daß ich das hier vorlesen soll?“
„Völlig“, erwiderte Jason barsch.
„Vor Miß Kirby?“ hakte sie nach.
„Entweder du machst es jetzt oder du gibst zu, daß du es nicht kannst.“
„Nun gut“, sagte Victoria und begann. „Geliebter Jason, ich vermisse dich so sehr“, zitierte sie betont dramatisch. „Ungeduldig warte ich und zähle die Stunden bis du zu mir kommst. Ich schicke dir diese Gedichte in der Hoffnung, daß du sie lesen und an mich denken wirst, an die zärtlichen Nächte, die wir gemeinsam ...“
Jason riss ihr das Buch aus der Hand. Victoria sah ihm gerade in die Augen. „Die Notiz war in Französisch geschrieben“, erinnerte sie ihn sanft. „Ich habe sie gleich übersetzt.“
Sie wandte sich an Miß Kirby. „Da war natürlich noch mehr. Ich finde, diese Art von Literatur sollte man nicht
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