Sieg einer großen Liebe
Gesellschaft verbringen.“
Victoria kannte diesen Brauch nicht, daß die Herren sich zu Wein und Zigarren zurückzogen, und so machte es ihr nichts aus, ihn zu brechen.
Als sie in den in Rot und Gold gehaltenen Salon trat, hielt Charles sie zurück: „Du hast die Trauerkleidung früh abgelegt, meine Liebe“, sagte er leise. „Wenn das deine Entscheidung war, begrüße ich sie. Deine Mutter hasste schwarz. Sie erzählte es mir, als sie selbst gezwungen war, es für ihre Eltern zu tragen.“ Charles sah Victoria eindringlich in die Augen. „War es dein eigener Entschluss?“
„Nein“, gestand Victoria. „Mr. Fielding ließ meine Kleidung entfernen und ersetzte sie durch diese.“
Er nickte. „Jason hasst die Symbole der Trauer, und aus deinen Blicken in seine Richtung zu schließen, bist du nicht glücklich über das, was er getan hat. Das solltest du ihm sagen“, meinte Charles. „Lass dich nicht von ihm einschüchtern, mein Kind. Er kann Schwächlinge nicht ausstehen.“
„Aber ich möchte dich nicht aufregen“, widersprach Victoria besorgt. „Du sagtest, dein Herz ist nicht kräftig.“
„Sorge dich nicht um mich“, erwiderte Charles und lachte. „Mein Herz ist nicht so schwach, daß ich nicht ein bisschen Aufregung vertragen könnte. Wahrscheinlich tut sie mir sogar gut. Das Leben war ungeheuer langweilig, bevor du ankamst.“
Nachdem Jason sich gesetzt und Port und Zigarre genoss, versuchte Victoria mehrmals, das Gespräch auf ihre Kleidung zu bringen, doch jedesmal, wenn sie Jason ansah, verließ sie der Mut.
Er trug an dem Abend dunkelgraue, gut sitzende Hosen und einen dazu passenden auf Taille gearbeiteten Rock aus feinstem Tuch, der seine breiten Schulter besonders vorteilhaft zum Ausdruck brachte, dazu eine dunkelblaue Weste und ein perlgraues Seidenhemd. Die langen Beine hatte er bequem ausgestreckt und an den Knöcheln übereinandergelegt. Er strahlte Macht und Gefahr aus. Victoria konnte sich des Gefühls nicht erwehren, daß er mit seiner eleganten Kleidung und lässigen Haltung glauben machen wollte, er sei ein Gentleman, was er in Wirklichkeit nicht war.
Er bewegte sich leicht, und Victoria warf ihm noch einen verstohlenen Blick zu. Den Kopf hatte er zurückgelegt, die dünne Zigarre zwischen die ebenmäßigen Zähne geklemmt, die Hände ruhten auf den Stuhllehnen. Welch dunkle Geheimnisse wohl in seiner Vergangenheit verborgen waren? Er sah aus wie ein Mann, der viel Schreckliches und Verbotenes gesehen und erlebt hatte, Dinge, die ihn verbittert und verhärtet hatten.
Und doch konnte Victoria nicht leugnen, daß er äußerst gut aussah. Mit seinem schwarzen Haar, den grünen Augen und der geschmeidigen Gestalt erinnerte er an einen Panther. Wenn sie sich nicht fast vor ihm fürchten würde, hätte sie sich mit ihm anfreunden können. Aber das wäre sicher so töricht wie ein Versuch, sich mit dem Teufel einzulassen, und wahrscheinlich auch ebenso gefährlich.
Victoria fasste sich ein Herz und holte tief Luft, um endlich die Frage der Trauerkleidung aufzuwerfen, als Northrup erschien und den Besuch von Lady Kirby und Miß Kirby ankündigte.
Jason erstarrte und warf Charles einen unmissverständlichen Blick zu. Der antwortete mit einem Schulterzucken und wandte sich an Northrup. „Schicke sie fort..“ begann er, doch es war bereits zu spät.
„Nicht nötig, uns anzumelden, Northrup“, erklärte eine untersetzte Dame, die in rotbraune Satinröcke und eine Parfümwolke gehüllt hereinrauschte. In ihrem Schlepptau befand sich eine reizende Brünette in Victorias Alter.
„Charles!“ rief Lady Kirby und strahlte ihn an. „Ich hörte, du warst heute mit einer jungen Damen namens Victoria Seaton im Dorf, und selbstverständlich muss ich sie sofort persönlich kennenlernen.“
Sie nahm sich kaum die Zeit, Luft zu holen, bevor sie sich an Victoria wandte. „Sie müssen Miß Seaton sein“, stellte sie fest und begutachtete Victoria so gründlich, daß diese das Gefühl bekam, sie suche nach Webfehlern. Sie fand auch einen. „Was für eine bezaubernde Kerbe Sie an ihrem Kinn haben. Wie ist das passiert? Ein Unfall?“
„Bei der Geburt“, berichtigte Victoria lächelnd. Sie war zu fasziniert von der Ungeniertheit dieser Lady, um sich beleidigt zu fühlen. Allerdings fragte sie sich, ob in England ungehobelte Manieren durch Titel und Vermögen entschuldigt wurden.
„Wie traurig“, meinte Lady Kirby. „Stört es sie ... oder schmerzt es?“
Victoria beherrschte sich,
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