Sieg einer großen Liebe
sie gleichermaßen freundlich.
Hin und wieder erhaschte sie einen Blick von Jason und lächelte liebevoll. In der rabenschwarzen Abendgarderobe, die zu seinem Haar paßte und sich stark von dem schneeweißen Rüschenhemd abhob, sah er wirklich atemberaubend gut aus. Neben ihm wirkten die anderen Männer irgendwie blass und unbedeutend.
Viele der anwesenden Damen schienen genauso zu denken. Victoria bemerkte bald, daß einige dieser Ladies geradezu schamlos mit ihm flirteten, obwohl er doch angeblich mit ihr verlobt war. Mitfühlend beobachtete sie, wie eine verführerische Blondine seinen Blick auf sich zu lenken versuchte, während Jason mit gelangweilter und herablassender Miene neben ihr an einer Säule leimte.
Bis zu dem Abend hatte Victoria geglaubt, er behandle nur sie auf diese spöttisch aufreizende Art, doch nun wurde ihr klar, daß Jason alle Frauen mit kühler Lässigkeit betrachtete. Zweifellos war es das, warum Caroline meinte, daß Jason kein Gentleman sei. Trotzdem schienen die Frauen alle in seinen Bann zu geraten. Und weshalb auch nicht, dachte Victoria und beobachtete, wie er der Blondine sanft den Arm entzog und auf Lord Collingwood zuging. Jason war unwiderstehlich, attraktiv ....männlich.
Robert Collingwood sah Jason an und machte eine Kopfbewegung in Richtung auf die jungen Männer, die sich um Flossie Wilson scharten und auf Victorias Rückkehr von der Tanzfläche warteten. „Wenn du immer noch vorhast, sie mit jemand anderem zu verheiraten, Jason“, sagte er, „wirst du nicht lange warten müssen. Sie ist die neue Mode geworden."
„Gut“, entgegnete Jason, warf einen Blick auf Victorias Verehrer und tat sie mit einem Schulterzucken ab.
~ * ~
Robert Collingwood behielt recht mit seiner Vorhersage von Victorias Erfolg. Am Tag nach ihrem Ball sprachen zwölf Herren und sieben junge Damen bei Lady Victoria vor, drängten ihr Einladungen auf und baten darum, Wolf sehen zu dürfen. Northrup war in seinem Element, als er Besucher in und aus den Salons führte und den Lakaien, die Tabletts mit Tee in die verschiedenen Gesellschaftsräume trugen, kurze Befehle erteilte.
Als um neun Uhr das Abendessen serviert wurde, war Victoria zu erschöpft, um einen der Bälle oder Soireen zu besuchen, zu denen sie eingeladen war. In der Nacht zuvor war sie erst kurz vor Morgengrauen ins Bett gekommen, und nun konnte sie kaum die Augen auf halten, während sie in ihrem Dessert herumstocherte. Jason hingegen sah frisch aus wie immer, obwohl er den ganzen Nachmittag in seinen Arbeitszimmer verbracht hatte.
Er wandte sich ihr zu: „Victoria, du hattest gestern Abend einen durchschlagenden Erfog“, sagte er. „Es ist offensichtlich, daß Crowley und Wiltshire bereits in dich vernarrt sind, ebenso wie Lord Makepeace, der als bester Fang der Saison betrachtet wird.“
„Der Ausdruck ,Fang‘ erinnert mich an einen Heilbutt" stellte sie fest und lächelte verschlafen.
Kurz darauf entschuldigte sie sich, um zu Bett zu gehen. Jason wünschte ihr eine gute Nacht. Mit ihrem Lächeln kann sie Sonne in ein Zimmer bringen, dachte er, und unter ihrer Kultiviertheit verbirgt sich Sanftheit und Intelligenz. Er nippte an seinem Brandy und erinnerte sich daran, wie sie am Abend zuvor die Gesellschaft mit ihrer Schönheit für sich eingenommen hatte.
Und auch die Dienerschaft...weil sie heute für Northrup Mozart gespielt hatte, und O'Malleys Zahn wohl nicht mehr schmerzt...die Dienerschaft war ihr inzwischen so ergeben, daß die Lakaien lächelten und die Hausmädchen ihr jeden Wunsch von den Augen ablasen. Und Victoria dankte jedem von ihnen mit seinem Namen. Sie konnte mit Menschen umgehe...mit Baronen und Butlern.
Nachdenklich drehte Jason das Brandyglas zwischen den Fingern. Wenn Victoria nicht da war, wirkte der Speisesaal plötzlich düster und leer. Ohne zu bemerken, daß Charles ihn augenzwinkernd beobachtete, starrte Jason weiter ihren leeren Stuhl an.
„Sie ist eine außergewöhnliche junge Frau, nicht wahr?“ bemerkte Charles schließlich.
„Ja.“
„Hinreißend schön und klug obendrein. Seit Victoria nach England kam, hast du mehr gelacht als sonst in einem Jahr! Streite es nicht ab ... das Mädchen ist einzigartig.“
„Ich leugne es gar nicht“, entgegnete Jason und dachte an ihre erstaunliche Fähigkeit, je nach ihrer Laune und entsprechender Umgebung, wie eine Gräfin, ein Milchmädchen, ein verlorenes Kind oder eine erfahrene Frau auszusehen.
„Sie ist charmant und unschuldig, hat
Weitere Kostenlose Bücher