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Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)

Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)

Titel: Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Briggs
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habe ich nicht erwartet. Calvin sagte, dass du Blackfeet bist, verheiratet mit einem weißen Werwolf. Ich hätte mich fragen müssen, wie viele Blackfeet-Frauen sich mit einem Werwolf abgeben würden, hm? Ich hatte mich schon gefragt, was aus dir geworden ist.« Er kniff die Augen zusammen. »Du siehst nicht aus wie Old Coyote. Oh, ich kann ihn in deinen Augen und deiner Hautfarbe erkennen, aber du siehst angloamerikanischer aus, als ich erwartet hätte.«
    Er hatte meinen Vater gekannt.
    Plötzlich war ich überhaupt nicht mehr müde, Antihistamin hin oder her. Aber meine Zunge schien Probleme mit den Fragen zu haben, die durch meinen Kopf schossen. Ich schaute zu Adam. Er hatte die Augen halb geschlossen und seine Miene war neutral. Seine Körpersprache sagte: »Ist er nicht interessant? Lass uns mal schauen, was er noch tut.«
    Der alte Mann sah auf mein Bein hinunter und zischte. »Das sieht schlimm aus. Flussteufel, das ist mal sicher.« Er setzte sich neben mich, öffnete die Handtasche, die keine war, und zog ein in einen Seidenschal gewickeltes Bündel heraus. Er öffnete es und fing an zu singen.
    Wenn man noch nie Indianermusik gehört hat, ist es schwer, sie zu beschreiben. Manchmal enthält sie Worte, aber Gordon Seeker benutzte keine. Die Musik floss aus seiner Brust und hallte in seinen Stirnhöhlen wider – wie es auch bei der Musik der Fall gewesen war, die der tanzende Geist meines Vaters erzeugt hatte. Immer noch singend
nahm Gordon Seeker eine handgemachte Bienenwachskerze und zündete sie an. Es sah aus, als hätte er sie mit Magie entzündet, aber gewöhnlich kann ich spüren, wenn jemand Magie einsetzt. Ich konnte kein Streichholz sehen, aber den Schwefel riechen.
    Ich schnüffelte misstrauisch. Er grinste mich an und dabei fiel mir auf, dass einer seiner Vorderzähne fehlte. Immer noch singend hob er seine leere Hand und schloss die Finger. Dann öffnete er die Hand wieder und enthüllte ein verbranntes Streichholz.
    Danach zog er ein Pflanzenblatt hervor und hielt es an die Flamme. Es war trocken und brannte schnell. Er ließ los und ich spannte mich an, um es zu fangen, bevor es den Wohnwagen in Brand setzte – aber die Flammen verschlangen das Blatt, noch bevor es auf dem Teppich landete. Zurück blieben nur ein wenig Asche und eine erstaunliche Menge Rauch.
    Ich erkannte die Pflanze am Geruch, obwohl ich das Blatt selbst nicht erkannt hatte. Tabak. Wahrscheinlich rauchte er doch nicht Pfeife.
    Gordon lehnte sich vor und blies den Rauch von Tabak und Kerze über mein Bein. Das Pusten schien seinen Gesang nicht im Geringsten zu beeinflussen. Er legte den Kopf schräg und ich konnte nur noch ein Auge sehen.
    Und darin sah ich einen Raubvogel, der ein wenig aussah wie ein Adler. Er hatte so dunkle Federn, dass ich ihn für einen Steinadler hielt, dessen Gefieder fast schwarz wirkt; aber er bewegte sich anders.
    Der alte Indianer schloss die Augen, pustete wieder und als er das Auge wieder aufschlug, war sein Blick hell und irgendwie raubtierhaft – aber es war nur noch ein Auge,
ohne Vogel. Ich entschied, dass das Antihistamin, das ich gerade geschluckt hatte, mich offenbar mehr beeinflusste als gewöhnlich.
    Er schraubte eine Dose auf, nahm ein wenig gelbliche Salbe auf den Finger und verteilte sie auf dem Mal, das das Nicht-Seil-aber-auch-nicht-Algen-Ding auf meinem Bein hinterlassen hatte. Fast sofort fühlte es sich besser an.
    Er hörte auf zu singen und wischte sich die fettigen Finger an den Jeans ab. Dann löschte er die Kerze.
    Adam sah mich an.
    »Es fühlt sich viel besser an.«
    »Magie?«, fragte Adam unseren Gast.
    Der alte Mann grinste. »Vielleicht.« Er hielt immer noch den kleinen Tontopf in der Hand und neigte ihn in meine Richtung. »Oder es ist das Melkfett. Ich schmiere es auf alle Schnitte und Verbrennungen.« Ich hatte bereits das Gefühl gehabt, dass die Salbe irgendwie vertraut roch. Meine Pflegemutter hatte Melkfett auch als Allheilmittel eingesetzt. Ich hatte immer eine Dose davon in der Werkstatt stehen. »Ich habe gehört, dass auch deine Füße ziemlich mitgenommen wurden. Warum holst du sie nicht ans Tageslicht?«
    »Woher kennst du mich?«, fragte ich, während ich mir Schuhe und Socken auszog.
    Adam hatte beschlossen, diesen gebrechlichen alten Mann als mögliche Bedrohung einzustufen. Das merkte ich daran, dass er einen Schritt zurückgetreten war, um außerhalb von Gordons Reichweite zu stehen. Er stand Wache, bereit, das zu tun, was die Umstände

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