Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)
erforderten, während er mir den Rest überließ. Ich wiederum vertraute ihm in seiner Einschätzung der Bedrohung.
Unser Gegenüber mochte ein alter Mann sein, aber sowohl Adam als auch ich hatten schon in der Nähe sehr alter Wesen gelebt, die gefährlich waren. Ich würde diesen Mann nicht unterschätzen, der nach Tabak, Rauch und … Magie roch. Es war keine Feenvolkmagie, also war es mir nicht sofort aufgefallen. Diese Witterung war süßer, unterschwelliger, auch wenn ich die Magie deswegen nicht für schwächer hielt.
Charles roch manchmal ähnlich.
Der alte Mann lächelte mich an und streckte mir die fettige Salbe entgegen. »Und wieso sollte ich Mercedes Thompson nicht kennen, die verheiratet ist mit Adam Hauptman, dem Alpha des Columbia Basin Rudels?«
Er konnte das mit dem Nicht-Lügen sehr gut. Es gibt eine Menge übernatürliche Wesen, die wissen, wenn man lügt. Einige vom Feenvolk, Werwölfe, einige der Vampire – und ich. Die Kunst des Nicht-Lügens ohne deswegen die Wahrheit zu sagen ist eine wertvolle Fähigkeit, wenn man sich mit übernatürlichen Wesen auseinandersetzen muss.
Er hatte nicht gewusst, wer ich war, als er in den Wohnwagen gekommen war. Aber dann hatte er mich angeschaut und die Überraschung, als ihm klarwurde, wer ich bin, war echt gewesen.
»Du weißt, was ich bin«, sagte ich und war mir plötzlich vollkommen sicher. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Er wusste, was ich war und wer mein Vater gewesen war.
»Schmier dir die Salbe auf die Füße«, sagte er. »Sie sehen wund aus.« Er drehte den Kopf in Adams Richtung, ohne deswegen den Blick von mir abzuwenden. »Habt ihr etwas zu trinken für einen alten Mann?«
»Soft Drinks oder Apfelsaft.«
»Rootbeer?« Die Stimme des alten Mannes war hoffnungsvoll.
Adam zog ein Tuch aus einer Schublade unter der kleinen Spüle und befeuchtete es. Dann öffnete er den winzigen Kühlschrank, zog eine silberne Dose heraus und reichte sie über Gordons Schulter nach vorne. Er warf mir das feuchte Tuch zu, dann zog er sich wieder auf seinen Beobachtungsposten zurück.
Ich wischte mir die Füße ab. Mein Schenkel tat immer noch weh, aber er pulsierte nicht mehr vor Schmerz und vor allem hatte der Juckreiz nachgelassen. Jetzt fühlte es sich nur noch an wie eine Reibungsverbrennung. Was auch immer meinen Schenkel verletzt hatte, war von Magie erfüllt gewesen – einer Magie, die der alte Mann aufgehoben hatte.
Gordon öffnete die Dose und trank. Er leerte die gesamte Dose, ohne einmal Luft zu holen. Als ich ein Kind war, nannten wir eine Dose oder Flasche auf ex trinken ›sie töten‹. Wir hatten es oft probiert, aber der Einzige, der es geschafft hatte, war einer der älteren Jungen. Ich hatte seinen Namen vergessen. Er war gestorben, noch bevor ich Montana verlassen hatte – ein Opfer der Verwandlung.
Gordon Seeker und ich konnten uns die gesamte Nacht mit Worten bewerfen – ich war in einem Werwolfrudel aufgewachsen; auch ich konnte nicht-lügen. Aber manchmal ist es sinnvoller, direkt zu sein.
»Ich bin ein Walker«, erklärte ich dem alten Mann, während er sein magisches Melkfett auf meine Füße rieb. »Woher wusstest du, was ich bin?«
Er lachte und schlug sich mit der Hand auf den Schenkel. »So nennen sie es?«, fragte er. »Wegen der Abscheulichkeiten im Süden, nehme ich an? Du läufst doch nicht in der Haut der Leute herum, die du getötet hast, oder? Wie kannst du dann ein Skinwalker sein? Abscheulich.«
Er stieß zischend den Atem aus und das Geräusch war wie ein Pfeifen, als die Luft durch seine Zahnlücke glitt.
»Du bist kein Skinwalker, sondern ein Gestaltwandler. Kojote, richtig? Ai.« Er schüttelte den Kopf. »Kojote bringt Veränderung und Chaos.« Er legte den Kopf schräg und sah aus, als lausche er auf etwas, das ich nicht hören konnte. Ich warf einen Blick zu Adam, aber der war vollkommen auf den alten Mann konzentriert.
Gordon Seeker lachte. »Besser als Tod und Zerstörung, sicher – aber das folgt oft auf Veränderung. Na gut.« Als er seine Augen wieder auf mich richtete, glänzten sie, als hätte er Fieber.
Er streckte die Hand aus und berührte mein verletztes Bein. »Das Siegel des Flusses. Es bedeutet, dass du ein Sklave sein sollst – nur gut für dich, dass Kojoten keine guten Sklaven abgeben. Aber es bedeutet noch mehr. Es verrät mir, dass du morgen das Maryhill Museum besuchen musst. Genieß die Kunst und die Möbel, die diese fremde Königin gebaut hat – und dann geh
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