Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)
zurück – und unter ihren Füßen war kein Boden mehr.
Als sie nach hinten umfiel, packte etwas ihr Bein und zog sie flussaufwärts. Sie kämpfte noch für einen Moment, dann wurde sie ruhig. Friedlich. Das Wasser glitt an ihr vorbei und schwemmte all ihre Sorgen davon.
Grüne Augen musterten sie interessiert, während einige helle, vibrierende Tentakel, die sich fransig um die spitze Schnauze zogen, sie streichelten. Das Wesen öffnete sein Maul und sie sah lange, spitze Zähne, bevor eine Welle sie erfasste und davontrug.
Sie wollte die Kreatur nicht verlassen, aber sie hatte keinen eigenen Willen mehr, um sich dem Verlangen des Wesens zu widersetzen. Sie stolperte hustend und keuchend aus dem Fluss, weil sie Wasser geschluckt hatte. Blut tropfte aus einem Schnitt, der sich direkt unter ihren kurzen Hosen um ihren Oberschenkel
zog. Ihr Kopf tat weh, ihre Augen brannten, aber sie war ruhig und glücklicher, als sie es je gewesen war.
Es wollte sie.
»Mommy, Mommy, geht es dir gut?« Ein kleiner Junge – ihr Sohn, dachte sie, wie hieß er nochmal? – packte ihren Arm. »Geht es dir gut? Wo ist deine Kamera?«
Sie streckte den Arm aus und ergriff seine Hand – und auch die Hand des kleinen Jungen, der noch nichts gesagt hatte. Er trug nur seine Laufwindeln und einen Schuh. Sie wusste, dass sie sich früher über diesen einen Schuh aufgeregt hätte. Aber jetzt regte sie sich über nichts mehr auf.
»Janny?« Ein Mann unterbrach sie, bevor sie die Jungs zum Fluss führen konnte, und sie sah ihn böse an. Ihr Ehemann, das war er. »Janny, was ist passiert? Geht es dir gut?«
Er wollte sie die Jungs nicht zum Fluss führen lassen, also ließ sie sie los, bis sie verstand, wie der neue Plan aussehen sollte.
»Janny?« Seine Stimme war sanft, zärtlich, und aus irgendeinem Grund machte sie das wirklich wütend. »Janny, du blutest. Bist du in den Fluss gefallen?«
»Ich muss das Blut abspülen«, sagte sie. Ihr Stimme klang ein wenig seltsam, aber das würde wahrscheinlich keine Rolle spielen. »Kannst du mir helfen?«
Er folgte ihr zum Fluss, obwohl er nicht gerade glücklich darüber war. »Das ist wahrscheinlich nicht besonders hygienisch, Janny. Wir haben Wasser im Auto.«
Während er weiter auf sie einredete, führte sie ihn tiefer und tiefer in den Fluss. Das Monster schnappte ihn sich vielleicht einen Meter vor der Stelle, wo sie gefallen war, und zog ihn so schnell unter Wasser, dass ihm keine Zeit mehr blieb zu schreien.
»Daddy?«
Die Jungs standen am Ufer und als sie wieder ihre Hände
ergriff, folgten sie ihr ins Wasser. Grundvertrauen und Gehorsam waren stärker als ihre Instinkte.
»Mercy.«
»Mommy, was ist passiert?«, wollte der ältere Junge wissen.
»Mercy, wach auf.«
»Daddy ist schwimmen gegangen«, erklärte sie ihnen mit einem friedlichen Lächeln. Das Wesen wollte Janny, aber sie allein war nicht genug gewesen, also war Janny zurückgeschickt worden, um mehr zu holen. Aber das Monster war immer noch hungrig. »Warum gehen wir nicht mit Daddy schwimmen?«
Ich schlug die Augen auf und mir wurde bewusst, dass ich zu schnell atmete und auf Adams Bein sabberte.
»Tut mir leid«, sagte ich wie benebelt. »Ich hatte nicht vor zu schlafen.«
»Ich habe dich zu lange wach gehalten«, sagte Adam in einem Ton, der nicht im mindesten entschuldigend klang. »Befriedigt« wäre ein besseres Wort. Selbstgefällig. Wir hatten nicht gerade zölibatär gelebt, bevor wir geheiratet hatten, aber es war ziemlich schwer, Privatsphäre zu haben, da Adam der Rudel-Alpha war und außerdem eine Tochter im Teenageralter hatte. Vielleicht sollten wir uns unseren eigenen Wohnwagen kaufen.
»Du musst schlafen, wann immer es geht«, fuhr Adam fort. »Diesmal habe ich nicht alles mitbekommen, aber es klang wie der nächste Alptraum.«
»Oh ja«, stimmte ich zu. Das flaue Gefühl in meinem Magen verschwand nur langsam. »Unheimlich auf diese zeitlupenartige Ich-kann-es-nicht-aufhalten Art und Weise. Ich glaube, Gordons kleine Ansprache über die Wunde an meinem Bein hat alte Horrorfilme in mir abgerufen.«
Kojoten geben keine guten Sklaven ab, hatte er ungefähr zur selben Zeit gesagt, als er erklärt hatte, dass ich das Siegel des Flusses trug. Ich hatte vollkommen vergessen gehabt, wie seltsam sein Besuch gewesen war, aber es musste in mein Unterbewusstsein eingedrungen sein und mir diesen beängstigenden kleinen Traum geschickt haben. Ich fragte mich, was er wohl glaubte, was mein Bein
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