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Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)

Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)

Titel: Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Briggs
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»Kommt Benny wieder in Ordnung? Hat er erzählt, was passiert ist?«
    »Ja«, sagte Calvin. Er blinzelte in die Sonne und für einen Moment erkannte ich die Familienähnlichkeit zwischen ihm und dem alten Mann, der zu unserem Wohnwagen gekommen war. »Benny wird es überleben. Ich glaube  … Ich denke, ich sollte euch diese Geschichte erst erzählen, nachdem ich den Führer gespielt habe, wenn es euch nichts ausmacht. Ich weiß nicht, ob es auf diese Art mehr Sinn ergibt, aber zumindest werdet ihr wissen, warum er wollte, dass ihr hier rauskommt.« Er starrte Adam und mich einen Moment an. »Ich bin mir nicht sicher, warum er es für wichtig hält, dass ihr irgendetwas erfahrt. Onkel Jim würde ich fragen, aber nur ein Narr fragt Grandpa Gordon etwas – er könnte ja tatsächlich antworten.«
    Er schaute über den Fluss hinweg, als suche er nach Inspiration und als er wieder sprach, war seine Stimme tiefer. »Mein Onkel Jim ist ein Medizinmann. Es liegt in der Familie, gewöhnlich wird es über Geschwister weitergegeben. Keins seiner Kinder hat die Fähigkeit, zu werden, was er ist, und sein Vater hatte sie genauso wenig. Aber sein Onkel hatte sie. So läuft es nun einmal.«
    »Ist Gordon ein Medizinmann?«, fragte ich, während ich mich bemühte, die Abstammungslinie nachzuvollziehen. Die Antwort sollte Nein sein, wenn Gordon sein Großvater war und sie denselben Nachnamen hatten –
außer Jim war Calvins Onkel mütterlicherseits. Was, wie mir plötzlich aufging, wahrscheinlich so war, da sie nicht denselben Nachnamen trugen.
    »Ist die Nacht dunkel?« Calvin grinste. Seine Gesicht verlor dabei den mürrischen Ausdruck und er wirkte sehr sympathisch. »Vielleicht. Vielleicht nicht. Hängt davon ab, was du meinst und wer die Frage beantwortet. Er ist etwas, das ist sicher. Auf jeden Fall bin ich Onkel Jims Lehrling. Ich werde diese Tour anfangen, als wärt ihr ganz normale Touristen, aber wenn ich es richtig mache, könnte alles plötzlich etwas anders werden.« Er räusperte sich, wirkte ein wenig verlegen und sagte: »Wenn ich inspiriert werde. Oder nicht.«
    »Also.« Er atmete einmal tief ein. »Willkommen auf diesem heiligen Boden. Bitte sprechen Sie leise und zeigen Sie Respekt, während Sie hier sind. Vor zwanzig Jahren haben wir ihn wegen Vandalismus umzäunt und für Fremde unzugänglich gemacht. Aber das machte niemanden glücklich, denn diejenigen, die heute sind, sind hier, um die Geschichten derer, die vor uns waren, mit denjenigen zu teilen, die nach uns kommen. So wurde die Entscheidung getroffen, den Zugang zu ermöglichen, aber nur unter bestimmten Umständen. Sollten Sie allein hierherkommen …« Er zögerte und sah mich kurz an, und als er weitersprach, verlor er den geübten Rhythmus seiner Stimme. »Dir ginge es wahrscheinlich gut. Du siehst indianisch aus. Aber Leute ohne Zugangsberechtigung wandern ins Gefängnis; wir meinen es ernst damit, diesen Ort zu bewahren.«
    Er drehte sich um und ging einen Weg entlang und wir folgten ihm durch das Tor. Es war ein bisschen wie in einem
Labyrinth, nur dass es statt Hecken Wände aus Lava und riesigen Steinen gab.
    »Das ist der Temani Pash-wa Pfad«, sagte Calvin, der wie ein Führer vor uns ging, obwohl das gar nicht nötig war, weil der Weg klar zu erkennen war. »Das bedeutet ›geschrieben in Stein‹. Die Piktogramme hier wurden wahrscheinlich vor fünfhundert bis tausend Jahren gemalt.«
    Er führte uns einen relativ steilen Hang hinauf und sprach währenddessen weiter: »In früheren Zeiten gab es in dieser Gegend eine Menge Indianer. Lewis und Clark erwähnten, dass sie in unmittelbarer Umgebung gerastet hatten, und aufgrund ihrer Tagebücher schätzen die Historiker, dass es in der Gegend an die zehntausend Indianer gab. Wir wissen, dass eines der vielen Dörfer dort drüben lag.«
    Er zeigte den Weg zurück, den wir gekommen waren. In der Ferne ragte ein gerundetes Landstück in den Fluss. An seinen Rändern fielen Basaltklippen gute hundert Meter zum Wasser darunter ab. Ich konnte von unserem Standort aus nicht erkennen, ob Wasser zwischen uns und dem Landstück lag, auf das er zeigte. Es sah aus wie ein Hochzeitskuchen, komplett mit einer zweiten, viel kleineren Ebene in der Mitte.
    In dem Moment, in dem ich mich wieder zu Calvin umdrehen wollte, bemerkte ich, dass wir nicht die einzigen auf dem Pfad waren. Die indianische Frau, die ich schon im Museum gesehen hatte, nahm eine Abzweigung, an der wir vorbeigegangen waren. Noch

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