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Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)

Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition)

Titel: Siegel der Nacht: Mercy Thompson 6 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Briggs
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in eine Zitrone gebissen.
    Er nicht-log auch nicht besonders gut. Vielleicht war das etwas, was Medizinmänner erst lernten, wenn sie älter wurden. Ich hatte das Gefühl, dass sein Onkel Jim so glatt nicht-lügen konnte wie das Feenvolk, und ich hatte bereits gesehen, dass sein Großvater dasselbe konnte. Warum hatten sie dann Calvin mit uns losgeschickt? Es sei denn, sie wollten, dass wir ihre Geheimnisse erfuhren.
    Und die Gründe dafür, dass sie ihre Geheimnisse mit uns teilen wollten, standen irgendwie in Verbindung mit Gordon Seeker, Jojo-Mädchen Edythes Prophezeiung
und was auch immer Benny und seiner Schwester passiert war, wovon Calvin uns erst später erzählen wollte.
    Irgendwann werde ich mal ein übernatürliches Wesen treffen, das mir alles, was ich wissen sollte, sofort und direkt erzählt – aber das konnte dauern.
    »Dieser Bussard war nicht Gordon«, sagte Adam, der eine schlechte Nicht-Lüge genauso gut erkennen konnte wie ich. »Wer war es?«
    Wenn Gordon sich verwandeln konnte und dieser Bussard nicht Gordon war, dann gab es drei von uns. Drei Walker. Gordon hatte von mir gewusst, von meiner Existenz, und wir hatten uns nur per Zufall getroffen. Eingefädelt von Jojo-Mädchen, aber nicht, weil er es gewollt hatte. Sie hatten nichts mit mir zu tun haben wollen. Ich würde ihnen dieselbe Höflichkeit erweisen.
    Calvin sah mich für einen Moment an, dann warf er resigniert die Hände in die Luft. »Kojote, hm? Vielleicht erklärt das ein wenig, warum Grandpa Gordon wollte, dass du das hier siehst.« Er rieb sich das Gesicht. »Okay, lasst mich euch zu Sie-die-wacht bringen – ich weiß nicht, ob sie zu den Dingen gehört, die ihr sehen sollt oder nicht. Onkel Jim war nicht gerade mitteilsam, aber sie ist das beste und bekannteste der Piktogramme. Dann zeige ich euch noch die Petroglyphen. Ich werde euch Bennys Geschichte erzählen – und ich werde euch Onkel Jims Telefonnummer geben und dann könnt ihr ihn anrufen, wenn ihr noch weitere Informationen braucht, okay?«
    Das klang in meinen Ohren ziemlich fair, und auch Adam nickte.
    Er drehte sich um und führte uns zurück zu der Stelle, wo der Pfad sich aufteilte. Dann folgten wir dem Weg, den
die Frau vorhin genommen hatte. Auf den Felsen um uns herum waren weitere Zeichnungen zu sehen.
    »An den Stellen, wo die Piktogramme sind, wachsen keine Flechten«, kommentierte Adam.
    Calvin nickte. Er hatte sich wieder beruhigt und seine Angst sorgte nicht länger dafür, dass ich ihn jagen wollte. »Richtig. Sie hatten irgendeine Möglichkeit, eine Stelle zu reinigen und dafür zu sorgen, dass sie auch noch tausend Jahre später sauber bleibt. Vielleicht war es so etwas Einfaches wie den Felsen abzukratzen. Flechten brauchen eine gewisse Rauheit, um zu wachsen. Es gibt auch ein paar leere Stellen, die offensichtlich gereinigt wurden.« Er zeigte auf eine davon. »Aber dort sind keine Bilder. Vielleicht hat jemand die Farbe falsch gemischt oder vielleicht hatten sie keine Zeit mehr, sie zu bemalen. Wenn das Licht stimmt, kann man auf einigen der leeren Stellen Ansätze von Farbe erkennen.«
    »Weißt du, welchem Stamm die Leute angehörten, die da drüben lebten?«
    Calvin schüttelte den Kopf. »Als die Europäer kamen, geriet alles in Bewegung. Einige Gruppen und ein paar Stämme sind vollkommen ausgestorben. Die meisten Stämme haben ihre Geschichte mündlich überliefert und viele dieser Erzählungen gingen verloren. Wir haben ein paar Vermutungen, aber andere Stämme ebenso – und ihre Vermutungen und unsere stimmen nicht immer überein.«
    Wir bogen um eine Kurve, auf denselben Weg, auf dem die Frau verschwunden war. Ich konnte sie wittern. Der Pfad verlief parallel zum Zaun. Auf der anderen Seite des Zauns waren Eisenbahnschienen, die sich am Fluss entlangzogen. Der Zaun und der Pfad endeten plötzlich, so
dass wir in einer Nische zwischen Zaun und Basaltmauer landeten. Auf dem Felsen, mit Blick über den Columbia, war das größte, deutlichste Piktogramm, das ich je gesehen hatte. Sie hätte vor einem Jahrzehnt gezeichnet worden sein können statt vor Jahrhunderten.
    Sie-die-wacht wirkte wie das Gesicht eines Waschbären. Zwei winzige runde Ohren saßen oben auf ihrem Kopf und ihr Mund war zu einem breiten Lächeln geöffnet. Ein verblasstes, schwarzes Viereck war in der Mitte ihres Mundes zu sehen. Vielleicht war es eine Zunge oder ein alter Versuch, etwas zu verdecken, aber was auch immer es war, es wirkte in dem Gesicht fehl am Platz.

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