Sieh dich nicht um
den Kopf, um herauszufinden, wer es geklaut hat.«
Dann fügte Sloane noch hinzu: »Jimmy La ndi hat die Kopie, die Farrell ihm gegeben hat. Ich gehe jetzt los und hole sie mir.«
»Aber beeilen Sie sich, bevor sie auch noch wegkommt«, antwortete Baldwin.
Er knallte den Hörer auf die Gabel. Lacey Farrell würde jeden Moment in seinem Büro erscheinen, und er hatte eine Menge Fragen an sie.
Inzwischen ahnte Lacey, daß es naiv von ihr gewesen war anzunehmen, der Fall sei für sie erledigt, sobald sie das Tagebuch der Polizei übergab. Erst bei Morgendämmerung war sie endlich aus New Jersey zurückgekehrt, aber sie hatte einfach nicht schlafen können. Sie machte sich Vorwürfe, weil sie Bonnie in Lebensgefahr gebracht hatte. Gleichzeitig begriff sie nicht, warum ihr Leben in den letzten Tagen derart durcheinandergeraten war. Sie fühlte sich wie eine
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Ausgestoßene. Nur weil sie den Mann identifizieren konnte, den sie unter dem Namen Curtis Caldwell kannte, schwebte sie in Gefahr – und das galt auch für alle, die ihr nahestanden.
Ich darf Mom, Kit und die Kinder nicht mehr besuchen, dachte sie. Und sie dürfen mich auch nicht sehen. Ich wage mich kaum noch auf die Straße. Wie lange soll das noch so weitergehen? Und was kann ich tun, damit es endlich aufhört?
Jack Regan hatte schon vor dem Büro des Staatsanwalts auf sie gewartet. Als die Sekretärin sie aufforderte einzutreten, lächelte er Lacey aufmunternd zu.
Baldwin hatte die Angewohnheit, die Leute vor seinem Schreibtisch schmoren zu lassen, während er vorgab, sich noch etwas in einer Akte notieren zu müssen. Unter halbgeschlossenen Augenlidern musterte er Lacey Farrell und ihren Anwalt, als sie Platz nahmen. Die Farrell stand offensichtlich enorm unter Druck. Aber wenn man bedachte, daß sie erst gestern abend einen Mordanschlag überlebt hatte, war das nicht weiter verwunderlich. Schließlich hatte sie einen Streifschuß abbekommen, und ein vierjähriges Kind war schwer verletzt worden. Ein Wunder, daß niemand dabei zu Tode gekommen war, dachte Baldwin, als er endlich aufblickte.
Er nahm kein Blatt vor den Mund. »Miss Farrell«, fing er an.
»Ich bedauere zutiefst, daß Sie zur Zeit in Schwierigkeiten stecken. Doch Sie haben die Ermittlungen der Polizei schwer behindert, indem sie Beweismittel vom Tatort entfernt haben.
Wer sagt uns, daß Sie nicht einen Teil dieser Beweismittel vernichtet haben? Außerdem sind die Papiere, die Sie der Polizei übergaben, inzwischen verschwunden. Und das weist offensichtlich darauf hin, daß sie für diesen Fall von großer Bedeutung sind.«
»Ich habe gar nichts vernichtet -«, entrüstete sich Lacey im selben Moment, als Jack Regan in scharfem Ton sagte: »Sie
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haben kein Recht, meine Mandantin zu beschuldigen -«
Doch Baldwin unterbrach beide und verschaffte sich mit erhobener Hand Gehör. Ohne Regan eines Blickes zu würdigen, sagte er mit eiskalter Stimme: »Miss Farrell, dafür haben wir nur Ihr Wort. Aber ich kann Ihnen folgendes versichern: Der Mann, den Sie als Curtis Caldwell kennen, ist ein skrupelloser Killer.
Wir brauchen Ihre Aussage, um ihn verurteilen zu können. Und wir werden dafür sorgen, daß niemand das verhindert.«
Er betrachtete sie schweigend. »Miss Farrell, ich bin dazu befugt, Sie als Belastungszeugin zu Ihrer eigenen Sicherheit zu inhaftieren. Ich kann Ihnen garantieren, daß das nicht sehr angenehm sein wird, denn es würde bedeuten, daß Sie rund um die Uhr in einer staatlichen Einrichtung bewacht werden.«
»Wie lange würde das dauern?« fragte Lacey.
»Das wissen wir nicht, Miss Farrell. Jedenfalls so lange, bis wir den Mörder gefaßt und mit Ihrer Hilfe verurteilt haben. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Solange Isabelle Warings Mörder auf freiem Fuß ist, ist Ihr Leben keinen Pfifferling wert. Bis jetzt hatten wir nie genug Beweise, um diesen Mann rechtskräftig zu verurteilen.«
»Wäre ich außer Gefahr, nachdem ich gegen ihn ausgesagt habe?« erkundigte sich Lacey. Als sie den Staatsanwalt auf der anderen Seite des Schreibtisches ansah, hatte sie plötzlich das Gefühl, in einem Auto zu sitzen, das einen steilen Abhang hinunterstürzte – und sie konnte nichts tun, um den Aufprall zu verhindern.
»Nein, das wären Sie nicht«, antwortete Jack Regan mit Nachdruck.
»Ganz im Gegenteil«, erklärte Baldwin. »Der Mann leidet unter Klaustrophobie und wird alles tun, um nicht ins Gefängnis zu müssen. Da wir ihm nun einen Mord nachweisen
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