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Sieh dich nicht um

Sieh dich nicht um

Titel: Sieh dich nicht um Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Rundfunkmoderator, der nicht in New York lebte. Anscheinend war Heather ein wenig in ihn verliebt gewesen.
    Handelte es sich um denselben Tom Lynch? Und wenn ja, konnte Lacey dann von ihm etwas über Heather erfahren?
    Es war einen Versuch wert, entschied sie.

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    16

    Tom Lynch hatte die für die Bewohner des mittleren Westens typische robuste Art. Er war in North Dakota aufgewachsen und gehörte zu den harten Burschen, die fünf Grad unter Null als belebend empfinden und glauben, daß nur Waschlappen über die Kälte jammern.
    »Aber heute müßte ich ihnen recht geben«, sagte er lächelnd zu Marge Peterson, der Empfangsdame bei WCIV, einem der Radiosender in Minneapolis.
    Marge bedachte ihn mit einem mütterlichen Blick. Er brachte Freude in ihren Tag, ein Gefühl, das sie mit vielen Bewohnern von Minneapolis und St. Paul teilte, seit er die Nachmittags-Talkshow des Senders übernommen hatte. Ein Zeichen dafür war die wachsende Flut von Fanpost, die über ihren Schreibtisch ging. Der beliebte dreißigjährige Moderator hatte noch eine große Zukunft vor sich. Seine Mischung aus Nachrichten, Interviews, Kommentaren und respektlosem Humor sprach eine breite Hörerschicht an. Und seine Fans sollten ihn erst mal sehen, dachte Marge. Mit seinen leuchtenden haselnußbraunen Augen, dem leicht zerzausten mittelbraunen Haar, dem freundlichen Lächeln und den attraktiven unregelmäßigen Gesichtszügen würde er im Fernsehen bestimmt gut ankommen.
    Marge freute sich über seinen Erfolg – der auch dem Sender zugute kam –, doch die Sache hatte einen Haken. Sie wußte, daß einige andere Sender bereits versucht hatten, ihn abzuwerben.
    Aber er hatte verkündet, er werde zuerst WCIV zum meistgehörten Sender des Einzugsgebiets machen, bevor er sich nach einer anderen Stelle umsah. Bald ist es soweit, dachte Marge mit einem Seufzen. Bald werden wir ihn verlieren.
    »Stimmt was nicht, Marge?« fragte Tom besorgt. »Fehlt
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    Ihnen was?«
    Lachend schüttelte sie den Kopf. »Überhaupt nichts. Gehen Sie jetzt zum Training?«
    Zum Abschied hatte Lynch seinen Hörern heute nachmittag angekündigt, er werde jetzt ins Twin Cities Gym gehen, da heute nicht einmal ein Pinguin draußen joggen könne. Er hoffe, einige von ihnen dort zu treffen. Twin Cities war einer seiner Sponsoren.
    »Allerdings. Bis später.«

    »Wer hat Sie uns empfohlen, Miss Carroll?« fragte Ruth Wilcox, während Lacey den Mitgliedsantrag für das Twin Cities Gym ausfüllte.
    »Ich habe in Tom Lynchs Sendung von Ihnen gehört«, antwortete Lacey. Da die Frau sie weiter ansah, glaubte sie, ihr eine Erklärung schuldig zu sein. »Ich wollte schon längst einem Fitneßclub beitreten, und weil ich hier ein paar Probetrainings bekomme, bevor ich mich endgültig entscheide…« Sie beendete den Satz nicht. »Außerdem wohne ich nicht weit von hier«, schloß sie verlegen.
    Wenigstens kriege ich so schon einmal einen Vorgeschmack darauf, wie es mir bei der Jobsuche ergehen wird, überlegte sie entschlossen. Die Aussicht, ein Formular ausfüllen zu müssen, hatte ihr angst gemacht, denn sie benutzte zum ersten Mal ihre neue Identität. Das Üben mit ihrem Betreuer Marshal George Svenson war eine Sache gewesen doch es war nicht damit zu vergleichen, tatsächlich in die neue Rolle zu schlüpfen.
    Auf der Fahrt zum Fitneßcenter war sie im Geiste noch einmal die Einzelheiten durchgegangen: Sie hieß Alice Carroll, stammte aus Hartford, Connecticut, und hatte ihren Abschluß am Caldwell College gemacht – aus dieser Ecke drohte keine Gefahr, denn die Universität war inzwischen geschlossen. In Hartford hatte sie als Arztsekretärin gearbeitet. Weil ihr Chef
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    die Praxis aufgegeben und sie sich von ihrem Freund getrennt hatte, hatte sie beschlossen, die Stadt zu wechseln. Für Minneapolis hatte sie sich entschieden, weil sie als Teenager einmal hier gewesen war und es ihr sehr gut gefallen hatte. Sie war ein Einzelkind, ihr Vater war tot, ihre Mutter hatte wieder geheiratet und lebte in London.
    Doch das interessiert im Augenblick nicht, dachte sie, als sie ihren neuen Sozialversicherungsausweis aus der Handtasche zog. Sie mußte vorsichtig sein. Ganz automatisch hatte sie ihre wirkliche Nummer hinschreiben wollen, aber es gerade noch rechtzeitig gemerkt. Ihre alte Adresse – East End Avenue i, New York, NY 10021 – fiel ihr ein. Nein: Hennepin Avenue 520, Minneapolis, MN 55403. Bankverbindung: Chase – nein, First State. Arbeitgeber? Sie strich die

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